Werbung
Werbung
Werbung

Die Furche: Ist die Finanzierung von Abfertigungsansprüchen über Pensionskassen ein realistischer Denkansatz?

Johannes M. Martinek: Ich halte die neue Konzeption bei der Abfertigung für eine ganz wichtige, sozialpolitische Herausforderung. Die Beschäftigungsverhältnisse in Österreich werden immer kürzer. In den letzten Jahren sind sie auf durchschnittlich 1,8 Jahre zurückgegangen. Von 1,1 Millionen beendeten Arbeitsverhältnissen pro Jahr kommen nur 180.000 Personen in den Genuß einer Abfertigung. Die Abfertigung zumindest in Form einer unverfallbaren Anwartschaft für jeden zu finanzieren, ist daher die sozialpolitische Herausforderung schlechthin.

Das kann aber nur in einem Verfahren funktionieren, das für die Unternehmen kostengünstig und die Mitarbeiter transparent ist. Wenn man diese Voraussetzungen akzeptiert, ist Abfertigung, auch wenn es darum geht, in erster Linie einen Barbetrag zu finanzieren, ein Teil der betrieblichen Vorsorge. Die ist das Spezialgebiet der Pensionskassen. Wir sind die Anbieter kollektiver Vorsorge schlechthin und ich meine, daß die Abfertigungsfinanzierung im Bereich der Pensionskassen gut aufgehoben ist.

Die Furche: Wie hoch schätzen Sie bei der "Abfertigung neu" den Zufluß zu den Abfertigungskassen?

Martinek: Vieles ist gesetzlich noch nicht ausformuliert. Wir gehen davon aus, daß man eine gute Abfertigungsfinanzierung mit einem Beitrag von etwa 2,5 Prozent erreichen kann. Nimmt man also 2,5 Prozent von der Brutto-Lohnsumme der Österreicher, kommt man auf einen Betrag von 20 Milliarden Schilling. Aber nur, wenn wirklich alle mitpartizipieren. Wenn eine Stichtagregelung kommt - was zu erwarten ist - dann baut sich dieser Betrag nur langsam auf. Und wenn es heißt, ab einem bestimmten Stichtag, aber nur für neubeginnende Arbeitsverhältnisse, dann geht es noch langsamer.

Die Furche: Welche Regelung könnten Sie sich vorstellen?

Martinek: Ich schlage jenes Modell vor, daß man bei der betrieblichen Vorsorge über Pensionskassen schon einmal erfunden hat. Das gibt den Betrieben die Möglichkeit, die Verpflichtungen aus der Abfertigung durch einen Einmalschritt oder durch mehrere Teilschritte aus der Firma herauszunehmen und auf die Abfertigungskasse zu übertragen. Damit würde eine raschere Entlastung der Unternehmen wie auch ein schnellerer Umstieg auf das neue Abfertigungsmodell erreicht werden.

Die Furche: Die betriebliche Pensionsregelung über eine Pensionskasse sieht derzeit vor, daß bei einem bestehenden Vertrag mit einer Pensionskasse auch der Arbeitnehmer selber einzahlen kann und zwar bis zur Höhe der Arbeitgeberbeiträge. Ist eine solche Regelung bei der Abfertigung auch denkbar?

Martinek: Bei der derzeitigen Pensionsregelung der Pensionskasse ist ein Hauch von individueller Vorsorge drinnen, weil der Einzelne selbst entscheiden kann, zahle ich dazu und erhöhe ich meine "Zusatzpension" oder zahle ich nicht dazu oder gehe ich in einen Investmentfond, ein Sparbuch oder eine Lebensversicherung hinein. Bei der Abfertigung wäre eine solche Regelung auch denkbar, doch diesbezüglich gibt es derzeit überhaupt keine Vorstellungen und Entscheidungen.

Die Furche: Wenn man die derzeitige Regelung aus dem Pensionskassen-Recht übernehmen würde, hätte der Mitarbeiter doch auch die Möglichkeit selbst einzuzahlen?

Martinek: Die Finanzierung der Abfertigung ist Sache der Arbeitgeber. Die Herausforderung bei der Abfertigung neu ist, sie so zu finanzieren, daß sie möglichst für alle Österreicher zugänglich wird. Die Abfertigung an sich ist und bleibt ein Instrument des Arbeitgebers.

Die Furche: Kann der Arbeitnehmer jederzeit über das eingezahlte Kapital verfügen?

Die soziale Qualität im neuen Abfertigungsmodell ist die, daß auch bei Selbstkündigung die bis dahin eingezahlten Beiträge bestehen bleiben. Daneben soll es natürlich auch möglich sein, daß jemand, der im Falle einer Kündigung eine Überbrückungshilfe braucht, das eingezahlte Geld beanspruchen kann.

Das Gespräch führte Irmgard Inführ.

"ABFERTIGUNG NEU" Selbstkündigung eingeschlossen Die Regierung hat sich auf ein neues Abfertigungsmodell geeinigt, das offensichtlich für alle Beteiligten Vorteile bringen soll: Die "Abfertigung neu" gibt es bald auch im Falle der Selbstkündigung, da die Ansprüche "mitgenommen" werden. Andererseits wird sie aus den Unternehmen ausgelagert, wodurch diese Geld sparen. Für die "Abfertigung neu" ist vorgesehen, daß die Unternehmen Beiträge in eine Abfertigungskasse einzahlen. Wie die Auswahl der Kasse erfolgen wird, ist derzeit noch nicht klar.

Dazu ein Interview mit Johannes M. Martinek, Vorstandsmitglied Vereinigte Pensionskassen AG Die Vereinigte Pensionskasse ist mit über 70.000 Anwartschafts- und Leistungsberechtigten Marktführer im Bereich der zweiten Säule der Pensionsvorsorge. Sie ist im Konzern von Bank Austria, Erste Bank, Wiener Städtische und den Sparkassen verankert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung