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Drohen Nachteile fiir die Angestellten?

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Nach Sozialminister Gerhard Peißenberg hat die FURCHE einen der Zentralsekretäre der Privatangestelltengewerkschaft, Hans Klingler (FCG), um einen Beitrag zur Arbeiterabfertigung ersucht. Klingler vertritt eine pointierte persönliche Meinung, die sich nicht in allen Punkten mit jener seiner Fraktion deckt. Gleichzeitig veröffentlichen wir eine Stellungnahme zur Abfertigung vom sozialpolitischen Arbeitskreis der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Wiens, die uns Bundessekretär Leopold Summerauer zur Verfügung gestellt hat.

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Nach Sozialminister Gerhard Peißenberg hat die FURCHE einen der Zentralsekretäre der Privatangestelltengewerkschaft, Hans Klingler (FCG), um einen Beitrag zur Arbeiterabfertigung ersucht. Klingler vertritt eine pointierte persönliche Meinung, die sich nicht in allen Punkten mit jener seiner Fraktion deckt. Gleichzeitig veröffentlichen wir eine Stellungnahme zur Abfertigung vom sozialpolitischen Arbeitskreis der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Wiens, die uns Bundessekretär Leopold Summerauer zur Verfügung gestellt hat.

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Am 24. Jänner 1979 hat die SPÖ im Parlament einen Initiativantrag eingebracht, der den Arbeitern in mehreren Jahresetappen den Anspruch auf Abfertigung sichern soll. Im Hinblick auf die vorverlegten Nationalratswahlen beschäftigt dieses Thema bereits seit Wochen die innenpolitische Diskussion. Bedingt durch die Hast läßt das Vorhaben wesentliche Fragen offen. Es ist zu bezweifeln, ob die Arbeiter auf die Dauer sehr glücklich mit dem Geschenk des Nationalrates sind.

Sehr zu begrüßen ist allerdings, daß die Abfertigung künftig auch bei Kündigung anläßlich der Frühpension gebühren soll. Schade ist aber, daß nicht auch die volle Abfertigung für Frauen, die auf Grund der Niederkunft ihr Dienstverhältnis lösen, verankert wird, wofür bisher nur ein Anspruch auf 50 Prozent besteht.

In der Abfertigungsfrage war beabsichtigt, im Zuge der Arbeitsrechtskodifikation eine Lösung zu suchen. Mit einem Ergebnis wurde allerdings erst nach den Wahlen gerechnet. Aus verschiedenen Gründen

„Undifferenzierte Übernahme des für die Angestellten geltenden Rechtes befriedigt nicht“

ist nun eine Teillösung vorgezogen worden, die unabhängig von der politischen Diskussion sehr problematisch ist.

Es mag theoretisch durchaus denkbar sein, Ansprüche der Angestellten kurzerhand auf die Arbeiter auszudehnen, in der Praxis sind jedoch zahlreiche Schwierigkeiten unvermeidbar.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei eindeutig festgestellt, daß die Forderung der Arbeiter nach Abfertigung gerechtfertigt ist. Für einen Angestelltenpolitiker gilt dies um so mehr, weil dadurch emotionelle Spannungen zwischen Arbeitern und Angestellten abgebaut werden könnten. Allerdings müßte es für die Arbeiter zu einer angepaßten Lösung kommen; eine undifferenzierte Übernahme des für die Angestellten geltenden Rechtes befriedigt nicht.

Wir plädieren daher für eine gleichwertige Abfertigung und nicht für dieselben rechtlichen Grundlagen.

Die Begründung liegt in der unterschiedlichen Situation. Einmal ist die Abfertigung der Angestellten historisch gewachsen, hat einen nicht ohne weiteres übertragbaren Charakter und schließlich sind die Unterschiede einzelner Branchen zu groß. Der Charakter der Angestelltenabfertigung ist ein dreifacher:

• Sie hat den Charakter einer Zukunftsvorsorge, um Zeiten einer allfälligen Beschäftigungslosigkeit besser zu überbrücken,

• Sie ist eine Art Treueprämie für die bei Angestellten erwartete Betriebszugehörigkeit.

• Sie ist schließlich - aber keineswegs ausschließlich - vorenthaltener Lohn, der in bestimmten Fällen bei Kündigung fällig wird.

Eine Nebenwirkung der Abfertigung für Angestellte ist ein erhöhter Kündigungsschutz.

Die SPÖ versucht, die Abfertigung lediglich als vorenthaltenen Lohn darzustellen, was zumindest für die Angestellten zu gefährlichen und unerwünschten Folgen führen könnte. Die Charakteristik der Abfertigung für Angestellte ist eben anders als für die Arbeiter - wenn vom materiellen Anspruch abgesehen wird.

Die Betriebstreue hat für die Angestellten eine ganz bestimmte Bedeutung und weder die Angestellten noch die Unternehmungen sind an einer stärkeren Mobilität interessiert, da der Angestelltenberuf zumeist eine hohe Spezialisierung verlangt, die in vielen Fällen eine längere Betriebszugehörigkeit bedingt. Erfah-

rungsgemäß gibt es bei Angestellten eine gewisse Fluktuation nur in jüngeren Jahren. Ganz allgemein ist ein Angestellter, der wiederholt seinen Arbeitsplatz gewechselt hat, beim

„Geplante Abfertigung führt zu Einschränkung der innerhalb dieser Branchen üblichen Rotation“

Auffinden eines neuen eher psychologisch im Nachteil, während die Situation bei Arbeitern nahezu gegenteilig ist.

Es kann auch nicht übersehen werden, daß die Arbeiter in bestimmten Branchen nicht in der Lage sind, im Normalfall eine längere Betriebszugehörigkeit zu erreichen. Die nun geplante Abfertigung führt aber zweifellos zu einer Einschränkung der innerhalb dieser Branchen üblichen Rotation. Arbeiter werden möglicherweise gezwungen, in einem Betrieb länger zu bleiben, als es arbeitsmarktpolitisch erwünscht und vertretbar ist, nur um einen höheren Abfertigungsanspruch zu erreichen.

Schließlich muß bezweifelt werden, ob die Betriebe bis 1982 in der Lage sein würden, die notwendigen Abfertigungsrücklagen zu bilden. Durch das zweite Abgabenänderungsgesetz wurden nämlich die vorhandenen Möglichkeiten wesentlich eingeschränkt und überdies ist zu berücksichtigen, daß mit 1. Juli 1982 alle Arbeiter schlagartig den vollen Abfertigungsanspruch besitzen und dementsprechend Vorsorge zu treffen ist.

Angesichts der allgemeinen Wirtschaftssituation muß es als unwahrscheinlich betrachtet werden, daß die notwendigen Rücklagen gebildet werden können, wobei dies für Betriebe aller Größen gilt.

Nicht zu übersehen sind die Nachteile, die die vorgeschlagene Lösung für bestehende Ansprüche der Angestellten mit sich bringen könnte. Es ist beispielsweise nicht auszuschließen, daß man bestehende Ansprüche der Angestellten in Frage stellen würde, wenn sich herausstellt, daß die undifferenzierte Anwendung des Angestelltenrechtes auf die Arbeiter keine allgemein befriedigende Lösung darstellt.

Wenn aber branchen- und funktionsbedingte Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten einfach negiert werden, lassen sich negative Auswirkungen kaum vermeiden. Letzten Endes dürfte den Arbeitern mit der jetzt angepeilten Lösung kaum gedient sein. So sehr für die Beseitigung unbegründeter Differenzierungen einzutreten ist, so sehr muß auch dafür gesorgt werden, daß soziale Verbesserungen wirklich sinnvolle Lösungen bringen.

Trotz der durch einen Wahltermin bedingten Sorge um einen Wahlschlager müßte es auch in Zukunft darum gehen, für die Arbeiter eine den Angestellten materiell gleichwertige Abfertigung zu sichern, die aber auf die realen Gegebenheiten in den einzelnen Branchen Bedacht nimmt. Daher wäre einer anderen Konstruktion der Vorzug vor einer phantasielosen und unangepaßten Gleichstellung zu geben.

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