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Attila -König der Hunnen

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Pferdegewieher ertönt von der hellen scheinbar son-nendurchfluteten Steppe, das Donnern von Hufen kommt näher, entfernt sich wieder. Ein starker Wind kommt auf. An den Wänden beginnt sich das hohe Gras der Steppe plötzlich zu wiegen. Doch alles ist nur Schein.

Wir, die Betrachter, kommen von der Autobahn, haben noch den Lärm des Motors im Ohr, beim Eingang werden wir vom schrillen Gewieher eines jungen Hengstes des angrenzenden Gestüts begrüßt. Aufgeregt wirft er den Kopf in die Höhe, seine Mähne flattert, seine Hufe wirbeln den Staub hinter dem Holzzaun auf, der gleichsam als Vorhang den Besucher alarmiert. In roten Lettern heißt es, „Die Hunnen sind wilde Tiere". Was will eine Landesausstellung, die solches von den Vorfahren der Bewohner einer Region, die sie repräsentiert, behauptet?

Das barocke Tor des Schloßhofs ist

Wie die Reitervölker

die spätantike Kultur überfielen, überzogen die barocken Gartenarchitekten mit ihren Kunstlandschaften die Natur.

zu Deiaen selten von zwei nonen Urga-Stäben flankiert. Die Hunnen steckten damit für die kurze Zeit eines privaten Abenteuers mit einer Gefährtin ihren persönlichen Bereich ab. In Halbturn laden sie ein zum Besuch in eine andere Welt, in die Welt der Hunnen und Awaren, der Reitervölker aus dem Osten. Gespannt betreten wir die Kassenhalle im barocken Schloß Halbturn. Wieder sehen wir ein Pferd, im Galopp, im Trab, diesmal auf Monitoren. Der dunkle Gang führt uns in die pannonische Steppe. Der erste Raum birgt Versatzstücke zweier Kulturen, die hier aufeinandergetroffen sind, jene des spätantiken Roms und jene der Nomaden, der

Reitervölker, die. Artefakte sind in der inszenierten Steppenlandschaft verteilt, darunter ein fast zwei Meter hoher Bogen, als Symbol der Reitervölker, daneben ein Grabstein aus der Römerzeit, im Zentrum der prunkvollen Schmuckstücke der Nomaden. Gleichsam als Kontrast, liegt ein Mosaik-Boden, zurückgelassen von den seßhaften, geschlagenen Römern, Symbol für eine zu Boden gegangene Kultur.

Eine Büste des Hunnenkönigs Attila führt in den nächsten Raum, der Steppenwind wird abgelöst von Verdis Oper auf den König der Hunnen. Die widersprüchlichen Bilder, Reproduktionen von Gemälden, geben einen Einblick, wie sich Künstler im Laufe der Jahrhunderte mit der widersprüchlichen Geschichte des Hunnenkönigs auseinandergesetzt haben.

Die diversen Gegenbilder sind jedoch keine Erfindung der letzten Jahrhunderte. Dies bezeugt der Priskos-Raum. Priskos, ein byzantinischer Diplomat, berichtete von Attila, als einem König, der sich selbst so hoch schätzte, daß er auf den Prunk der Adeligen verzichten konnte und seinen Thron aus Holz hatte zimmern lassen und aus Holzbechern getrunken hatte.

Im daranschließenden Gartensaal mußten sich die Ausstellungsarchitekten Checo Sterneck und Erich Wo-schitz dem heutigen Schloßalltag beu -gen, denn der Maulpertschsaal muß für Konzerte freigehalten werden. Es spricht für die beiden, daß sie aus der Not eine ausstellerische Tugend gemacht haben und den Blick des Besuchers zum Garten führen, wo sie hunderte von Lanzen aufgesteckt haben. Maulpertschs „Allegorie der Zeit und

des Lichts" wird im Schloßgarten weitergeführt: „Wie die Reitervölker die spätantike Kultur überfielen, überzogen umgekehrt barocke Gartenarchitekten mit ihren durchkalkulierten Kunstlandschaften die unberührte Natur", so Woschitz.

Am Ende wird der Besucher wieder in die Realitiät geführt. Die Geschichte der Reitervölker endet zwar in der Niederschlagung durch Karl den Großen, doch sie geht weiter, im Labor des Archäologen.

Diese Landesausstellung bietet ein Beispiel dafür, wie man Geschichte inszenieren und wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden kann. Nicht nur die prunkvollen Ausstellungsgegenstände, sondern auch die Inseznierungen von Woschitz und Sterneck machen diese Ausstellung zu einem Pflichttermin. (Bis 31.Oktober)

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