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Das war (ist) Alpbach

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In diesen Tagen verändert das kleine Tiroler Bergdorf Alpbach wieder einmal sein Gesicht. Selbst die in der Hochkonjunktur beträchtliche Zahl der Sommerfrischler wird diskret um Domizilwechsel ersucht, falls es sich nicht sowieso bis zu ihnen durchgesprochen hat, daß Alpbach in den letzten Wochen des August den Leuten des österreichischen College gehört, die hier zu ihrem „Europäischen Forum“ oder, wie konservative Gemüter noch immer sagen, „Internationalen Hochschulwochen“ Gäste aus nah und fern erwarten.

Dabei ist es dieses Jahr das zwanzigste Mal, daß sich — um nur einige Beispiele zu nennen — englische Studenten und französische Hochschuldozenten, deutsche Wirtschaftskapitäne und italienische Sprachforscher hier ein Stelldichein geben, österreichische Professoren, Künstler und Studenten sind selbstverständlich auch dabei. Theologen der verschiedenen Bekenntnisse fehlen genauso wenig wie Politiker jeder Couleur. Durch drei Wochen gehört ihnen Alpbach, sind sie hier vereinigt zu einer kleinen Republik des Geistes, die vom Galtenberg und von den Inntaler Bergen abgegrenzt wird.

Zum zwanzigsten Male ... Ja, es ist wirklich so weit. Am Anfang stand der kühne Versuch einiger Studenten und Dozenten, die das Ende des Krieges mehr durch Zufall in Innsbruck zusammengewürfelt hatte. Der aus den Abenteuern des Widerstandes heimgekehrte Otto Molden führte die kleine Schar im Sommer 1945 auf diese „Weide der Wissenschaft“. „Nur der Geist, wenn er den Lehm behaucht, kann den Menschen erschaffen.“ Dieses Wort Saint-Exuperys, das als Motto über der ersten Alpbacher Begegnung stand, charakterisiert treffend den Geist jener Aufbruchsstimmung in eine neue Zukunft.

Heute gibt man sich — wieder entsprechend dem Geist der Zeit — sachlich kühler. „In der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Neue Fragestellung seit 1945.“ Das ist die Devise, unter der das heute wn Alexander Auer geleitete österreichische College am 21. August zum zwanzigsten Male nach Alpbach ruft. Hunderte, ja tausende Menschen haben in der Zwischenzeit ein- oder mehrmals Alpbach besucht. Sie haben die charakteristische „Alpbacher Atmosphäre“ des freien Gesprächs und, beinahe ist man versucht zu sagen, der „familiären Zusammengehörigkeit“ kennengelernt, sie haben auch ein wenig davon hinausgetragen aus dem kleinen Alpental in ihre fernen Labors und Studierstuben, genauso wie auf manchen Kommandoturm der Wirtschaft. Gerade recht zur zwanzigsten Alpbacher Begegnung kommt der Bildband von Wolfgang Pfaundler: „Das ist Alpbach“,

160 Bilder von Menschen. Begegnungen, Situationen, von Landschaft. Folklore, Stimmung. (Verlag Herold, 96 Seiten Text, 160 Bildtafeln, S 198.—.) Die geistige Essenz des Phänomens Aljibach ist trefflich eingefangen und von Barbara Coudenhove-Kalergi einwandfrei kommentiert.

Zum zwanzigsten Male ruft Alpbach. Dem Ur-Alpbacher, der vielleicht wieder einmal diesem Ruf folgen mag, wird dabei ein wenig besinnlich zumute werden. Niähl nur deshalb, weil neben Alt-Alpbach auch ein von der Prosperität geprägtes Neu-Alpbach aus dem Boden gewachsen ist, dem die Frische und Naturbelassenheit von seinerzeit mangelt. Der Wohlstand will seinen Tribut... Auch nicht deshalb, weil so mancher Ur-Alpbacher bereits von seinem Sohn oder seiner Tochter begleitet heute erscheinen mag. Das alles ist es nicht. Alpbach war eine charakteristische Gründung der Kriegsgeneration, der aus dem Krieg heimgekehrten, nach neuen Ufern Ausschau haltenden jungen Menschen. Wieviel ist von ihrem Geist in unserem öffentlichen Leben zum Tragen gekommen? Nicht allzu viel. Der Lehm scheint es nicht gern zu haben, vom Geist behaucht zu werden.

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