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Tal der Gespräche
Zum 37. Mal versammeln sich in diesem Sommer (ab 23. August) für fast vierzehn Tage in Alpbach Wissenschaftler, Künstler, Politiker und Wirtschaftsführer, um über wichtige Probleme zu diskutieren.
Seit sich im Sommer 1945 in dem damals noch fast unbekannten kleinen Alpbachtal, das sich von Brixlegg parallel zum Zillertal in die Berge der Kitzbühler Alpen erstreckt, zum ersten Mal Intellektuelle versammelten, ist Alpbach und das ihm zu Füßen liegende Tal ein Begriff für geistige Diskussionen und tolerante Zusammenarbeit auf hohem Niveau geworden.
Kaum eine andere kulturelle Institution in Europa hat mit derselben Intensität und Kontinuität, mit immer größerer Ausstrahlung, durch fast vier Jahrzehnte ihre Arbeit durchgeführt wie das österreichische College mit dem „Europäischen Forum Alpbach“. In keinem anderen Dorf Europas haben sich in den vergangenen 36 Jahren so viele bedeutende Persönlichkeiten der westlichen Welt zu gemeinsamen Gesprächen versammelt.
Vom Tiroler Gebirgsort Alpbach haben, führende Wissenschaftler, darunter eine große Anzahl von Nobelpreisträgern, wie auch hervorragende Künstler - Dichter, Musiker, Maler und Bildhauer - sowie Politiker aller Richtungen und Persönlichkeiten der Wirtschaft zu vielen Problemen, insbesondere der westlichen Welt, Stellung genommen.
Das seltsame Zusammenwirken der Arbeit einer größeren Gruppe geistiger Menschen mit einer ganz bestimmten kontemplativen Atmosphäre, die die Landschaft und das schöne Dorf sowie der das Tal umgebende cordon sanitaire der großen Einsamkeit der Gebirge und Wälder ausstrahlen, haben seit 1945 einen wachsenden Kreis von Menschen fasziniert und immer wieder angezogen. Trotz vieler Mängel, die zweifellos die Alpbacher Arbeit begleiten, hat sich doch ein ganz bestimmter Stil des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens herausgebildet, der von manchen der „Spirit of Alpbach“ genannt wird.
So ist es gelungen, in jedem Jahr einen bestimmten Problemkreis als Generalthema der Gesamtarbeit heraus- zustellen. Die Summe dieser 36 Generalthemen seit 1945 ergibt zugleich einen interessanten, wenn auch sicher lückenhaften Überblick über die wichtigsten geistigen Phänomene der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Vielfalt dieser Generalthemen, innerhalb derer wissenschaftliche, kulturelle, politische und wirtschaftliche Fragen behandelt werden, läßt sich schon erkennen, wenn man nur die letzten fünf von ihnen Revue pas
sieren läßt: 1976 „Grenzen der Freiheit“, 1977 „Konflikt und Ordnung“, 1978 „Der Mensch in der unvollkommenen Gesellschaft“, 1980 „Konsequenzen des Fortschritts“.
Fast immer gehen diese Generalthemen inhaltlich, obwohl sie jedes Jahr andere Probleme behandeln, kontinuierlich ineinander über. So wird in diesem Sommer das Generalthema „Strukturen im Umbruch" lauten und versuchen, einige der wesentlichen Fragen des sozialen, kulturellen und politischen Umbruchs ebenso wie die Veränderungen der Denkstrukturen in den Wissenschaften aufzuzeigen.
Dementsprechend werden in Arbeitsgemeinschaften und Plenarveranstaltungen unter anderen folgende Fragen behandelt werden: Genese und Stabilität von Strukturen; die biologische Evolution und die Zukunft des Menschen; Verfall der Ordnung?, der Verschleiß politischer Ideologien; Verfall und Erneuerung der Baustruktur; Strukturwandel in den literarischen Formen; Gesetzgebung und Gesellschaftsstruktur; Zusammenleben der Völker; Realismus und Utopie in der Beurteilung der Wirtschaftsstrukturen; Symptome kulturellen Umbruchs (Kulturverdrossenheit, Gegenkulturen, Alternativbewegungen).
Bei den Arbeitsgemeinschaften. Plenarveranstaltungen und den Europäischen Gesprächen werden neben Wissenschaftlern und Wirtschaftsführern aus Europa und den USA auch der berühmte russische Dichter und Satiriker Wladimir Woinowitsch, der tschechische Schriftsteller Ota Filip, die Dichterinnen Hannelies Taschau und Jutta Schütting, die österreichischen Bundesminister Broda, Firnberg und Pahr sowie Staatssekretär Seidel, die bayerischen Staatsminister Schmidhuber und Hillermeier, der senegalesische Außenminister Mousta- pha Niasse, der indische Außenminister Rao, der portugiesische Justizminister Meneres Pimentei, der frühere deutsche Bundespräsident Walter Scheel, das Mitglied des Nationalen US-Sicherheitsrates der USA, William Lloyd Stearman, EG-Industriekommissar Karl Heinz Narjes, der Präsident des deutschen Industrie- und Handelstages, Otto Wolff von Amerongen, und Österreichs Nationalbankpräsident Stephan Koren mitwirken. Eine Ausstellung wird sich mit dem Werk des letzten lebenden deutschen Expressionisten, nämlich des in Alpbach lebenden Werner Scholz, befassen.
Die FURCHE hat heuer den verdienten Mitbegründer und Spiritus-Rector des Forums Alpbach um eine einbegleitende Stellungnahme gebeten.
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