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Happy End mit Heilsarmee

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Eine Woche lang spielte man im .Theater an der Wien die Komödie mit Musik in drei Akten „Happy End“ von Brecht und Weill. Das Stück — nach einer Story mit Figuren aus der amerikanischen Unter-haitungsliteratur — wurde in Copro-duktion mit Brechts Assistentin Elisabeth Hauptmann im Jahr 1929 hergestellt. Es entstand also zwischen der „Dreigroschenoper“ und der Opernfasgung von „Mahagonny“. An die erstere erinnert das Gangster-milieu, während die Heilsarmee uns später in der „Heiligen Johanna der Schlachthöfe“ wieder begegnen wird. So ist die Heldin von „Happy End“, Lilian Holiday, genannt Hallelujah-Lilian, eine jugendlich und überaus liebenswerte Ahnfrau des Mädchens Johanna Dark.

Für sie und ihre Leute, die „schwarzen Strohhüte“, hat Brecht eine auf Einverständnis beruhende Sympathie: für ihren militanten Glaubenseifer und ihre herzhaftnaive Art der Propaganda mit Plakaten, warmer Suppe, Bibelsprüchen und Liedern. Obwohl Brecht, der überzeugte Marxist, mit seinen Thesen und Lehrstücken in eine andere, nämlich die entgegengesetzte Richtung zielt, stattet er den jungen „Leutnant“ Lilian Holiday mit so viel Charme, Unerschrockenheit und gesundem Menschenverstand aus, daß dem Autor, kaum hatte er die ersten beiden Akte aus der Hand gegeben, Angst wurde vor der eigenen Courage und wegen der Abweichung von der strengen Parteilinie — und er das Werk unter dem Pseudonym Dorothy Lame erscheinen ließ. Nur unter die von Kurt Weill vertonten Songs setzte er seinen Namen. (Daß das Stück- auch heute noch unter falscher Flagge erscheint, ist ein Anachronismus, wenn auch ein erheiternder.)

Die Handlung ist ungewichtig wie ein Federball. Die Szenen spielen abwechselnd in einer Gangsterkneipe (mit entsprechendem Personal) und im Versammlungssaal der Heilsarmee. Im Mittelpunkt, auf beiden Ebenen, steht jeweils Leutnant Holiday, die den Plattenbrüdern fulminante Büßpredigten hält und von ihren eigenen Leuten scheel angesehen (und schließlich, aber nicht endgültig) entlassen wird, weil sie sich in Bill Cracker, den Gangsterboß, ein wenig

verliebt bat. Aber das ist nur sehr diskret angedeutet.

Zu dem knapp zweistündigen Stück hat Kurt Weill zehn Musiknummern geschrieben, von denen mindestens drei zu den besten seiner Produktion gelhören'. Man konnte es wieder einmal hören und bewundern: in diesen wenigen Musikstük-ken steckt mehr Eleganz und Brisanz, Charme und Originalität als in vielen abendfüllenden Operetten. Ein kleines Orchester unter der Leitung von Robert Opratko hat sie mit erfreulicher Dezenz wiedergegeben und die Songs akkurat begleitet. ,

Die Besetzung der Hauptrollen mit der reizenden Vera Tschechowa als Lilian und Dietmar Schönherr als Bill Cracker war eine zusätzliche Attraktion. Das ganze Ensemble der Schweizer Theatergastspiele Basel zeigte sich präzis aufeinander eingespielt und war von Maxi Tschunko sehr lustig in Kostüme der zwanziger Jahre gesteckt worden, die mit den militärischen der Heilsarmee scharf kontrastierten. Als besonders gelungen können der große Vorhang und die Bühnenbilder von Felix Sme-tana bezeichnet werden. Heinz Schirk ist ein guter Spielleiter, nur hätte er Dietmar Schönherr einige Übertreibungen und die Dramatisierung des wichtigsten Songs nicht durchgehen lassen sollen. (Denn auch dieses unorthodoxe Stück ist nach den Regeln des epischen Theaters angelegt.)

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