Kaufrausch und Sparsucht

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Sparen ist wieder in. Vor allem, wenn man trotzdem zum Kauferlebnis kommt.

Was gehört zum Glücklichsein? Eine Frage, die insgeheim gerne mit den drei magischen Wörtchen reich, gesund und jung beantwortet wird. Wobei der Begriff "reich" so eine Sache ist. Man gibt es ja nicht gerne zu, aber ganz ohne Geld dürfte sich das persönliche Glück schwer einstellen. "Geld ist nicht alles, aber Geld ist schon was", hat Johann Nestroy einmal gesagt.

Dass der Schnellaufguss des Reichtums eine Illusion ist, ist spätestens seit der geplatzten Blase der "New Economy" bekannt. Doch der Traum vom Geld ist keine epochale Erscheinung. Das belegt nun Hans Haumer, Wirtschaftsfachmann und Banker, in seinem Buch "Reichtum: Metamorphosen eines Menschheitstraums". "Geld ist nur etwas wert, wenn es Geist wird." Eine provokante Perspektive, die der Autor seinem Essay voranstellt. So provokant sie erscheint, so viel Wahrheit steckt dahinter: Reichtum hat seit eh und je die Menschen beflügelt, so etwa zur Zeit des Gold Rush im frühkapitalistischen Amerika. Dort wurde ein Ertrunkener gefunden, in dessen Gürtel schweres Gold eingenäht war. Hat hier der Mensch vom Gold oder hat das Gold vom Menschen Besitz ergriffen?

Haumer beschreibt Macht als Urwunsch, ja sogar als menschlichen Trieb, und sieht die materielle Macht des Reichtums als einen Teil davon an. Während der Buddhismus vom "Lohn eines sittlichen Lebens" ohne materiellen Besitz spricht, dienen eben jene Mittel in unseren Breitengraden zur Absicherung des Lebensunterhaltes. Ähnlich wie Hans Haumer sieht das der Wiener Philosoph und Buchautor Alfred Pfabigan: Für den Menschen sei nichts bedrohlicher als die Angst um seine Existenz. Doch Existenz ist dem Menschen nicht genug. Er strebt nach Ansehen innerhalb der Gesellschaft, und da kann Geld schon mal ein Schäufelchen nachlegen. "Reichtum erfreut, indem er anderen vorgeführt wird", zitiert Haumer den Ökonomen und Moralphilosophen Adam Smith. Zugleich weist er darauf hin, dass hinter geöffneten Türen auch offene Taschen warten. "Je höher der relative Reichtum Einzelner, desto mehr verpflichtet er zu sozialen Leistungen."

Geiler Geiz?

Wie solidarisch aber ist eine Gesellschaft, in der die Reichen reicher und die Armen ärmer werden? Zu Zeiten leerer Staats- und Regierungskassen lassen geschnürte Sparpakete und angekündigte Sozialreformen das Vertrauen in die Zukunft schrumpfen. Sparen ist zum neuen Sport geworden, längst hat es die Peinlichkeit von einst verloren. Hauptsache viel zum günstigsten Preis, so lautet die Devise. Dass dieses Prinzip viele Gesichter hat, beleuchtet Alfred Pfabigan in seinem Buch "Nimm drei, zahl zwei! Wie geil ist Geiz?" Auch er geht auf ökonomische Entwicklungen ein und beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Kaufverhalten. Pfabigan widmet sich dabei den zwei markantesten Phänomenen der gegenwärtigen Konsumgesellschaft: Der Geiz-ist-geil-Fraktion und den Smart-Shoppern. Erstere charakterisiert den Schnäppchenjäger, der in einen Rauschzustand fällt, wenn er die Markenjeans zum halben Preis im Designer-Outlet ersteht. Da wird die Kaufentscheidung schon mal zum lustvoll-egoistischen Akt, ebenso das Studium von Werbeprospekten. "Sparen ohne Konsumeinschränkung" lautet hingegen die Devise der Smart-Shopper. Dass Kaufen "auf Teufel komm raus" möglich ist, unterstützen die sich mehrenden Diskonter und Handelsketten. Von der Preisschlacht profitiert der Kunde - sofern er der Verführungskraft des billigen Preises widersteht. Denn wer kennt die Verlockung nicht, mehr zu kaufen, weil doch alles so günstig ist. Da wären wir wieder beim Hamstern der Nachkriegszeit angelangt ...

Alfred Pfabigan liefert ein differenziertes Bild von den Kaufwütigen. Wie der Autor Hans Haumer schildert er das Phänomen der menschlichen Habgier und des Geizes und bezieht sich auf bedeutende Philosophen der Menschheitsgeschichte. Beide Autoren bedienen sich auch der Literaturgeschichte und entlocken jenem Leser ein Schmunzeln, der just in dem Moment an die eben zitierten Raimund'schen Zaubermärchen denkt.

Der Wirtschaftler Hans Haumer spinnt den Faden seiner Metamorphosen bis in die Gegenwart. Er erwähnt das "blutrünstige Duell zwischen Geld und Politik" und beleuchtet jüngste Fälle wie den Mannesmann-Prozess und die Yukos-Affäre. Zu Recht wirft er die Frage auf, wo denn der Anstand in der Wirtschaft geblieben ist. Moralisch beanstandenswert findet auch Alfred Pfabigan so manches: Sind es nicht gerade die gegen Sweatshops protestierenden Leute, die alles zum billigsten Preis erstehen wollen?

Täglich konfrontiert

Die beiden Bücher erscheinen nicht nur aufgrund der Streifzüge durch die Geschichte des menschlichen Kaufverhaltens und des Strebens nach Reichtum lesenswert. Sie werfen Fragen auf, mit denen der Konsument täglich konfrontiert ist. Und hin und wieder fühlt sich der Leser ertappt. Denn wer kennt ihn nicht, den inneren Zwist des Sparefrohs und des Kaufwütigen ...

Reichtum: Metamorphosen eines Menschheitstraums

Von Hans Haumer

Kremayr & Scheriau / Orac Verlag, Wien 2004

125 Seiten, geb., e 17,00

Nimm drei, zahl zwei! Wie geil ist Geiz?

Von Alfred Pfabigan

Sonderzahl Verlag, Wien 2004

184 Seiten, geb., e 16,00

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