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Zwei Romantiker

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Der zweite Teil der Gedächtnisausstellung für Alfred K u b i n in der Galerie St. Stephan ist 6einer Druckgraphik und den von ihm illustrierten Büchern gewidmet. Schon zu seinen Lebzeiten hatte Kubin den historischen Platz bezogen, der ihn in Beziehung zu den romantischen Strömungen . des vorigen Jahrhunderts setzt. Die Romantik drückte sich bei ihm in der Bindung an das literarische Vorbild aus und der subjektiven Interpretation, die dem Werk seinen Stempel aufdrückt. Er gab der allgemeinen Unsicherheit Ausdruck, dem Zerbröckeln der Fassaden und dem schwärenden Eiter im Blut. Die Zwielichtigkeit des Verfalls, die Doppeldeutigkeit der Erscheinung und die Vorstellung von der Fruchtlosigkeit menschlicher Existenz zogen ihn an. Wenn er nicht kongeniale Literatur interpretierte, sondern die Natur — und vielleicht sind das die schönsten und gültigsten Blätter —, verlieh er ihr einen Mystizismus, der einer Alchemie der Verwesung gleichkommt. Das Dämmerlicht, das über seinen Graphiken liegt, seine grauen, verhangenen Himmel und die nutzlosen Gesten seiner Gestalten haben eng und streng gezogene Grenzen, wie die Blätter religiösen Inhalts beweisen.

Auch Juan Miro, von dessen Druckgraphik die Galerie Willi Verkauf eine kleine; Ausstellung zeigt, stittm/Sm Tfeien •nach^OTJAnfllfe

von Kubin verschieden erscheint. Nur äußert sich die Romantik bei ihm nicht als eine Tendenz zum Partikulären, sondern als der zum Teil bewußte Versuch, an eine weit zurückreichende Tradition anzuknüpfen. Aber auch bei Miro ist eine vom Literarischen, nicht vom Bildnerischen, ausgehende Vorstellung wirksam: eine dichterische, lyrische Persönlichkeit spricht 6ich durch Zeichen — als Mittel zur magischen Evokation — aus. In ihnen werden als Ahnen Hieronymus Bosch und prähistorische spanische Felszeichnungen sichtbar. Miros Kunst ist subjektiv, von einem sensiblen Temperament genährt, das weder die plakative Wirkung noch den zufälligen Reiz des Materials scheut, um persönliche Emotion zu vermitteln. In seinem kindlich stilisierten Kosmos haben sowohl der Schock als auch ein manchmal modischer Geschmack ihre Plätze. Der durch den Geist und die Form geordneten und verwandelten Welt der Klassik steht seine, wie Kubins Welt, diametral gegenüber.

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