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OTTO ENDER / EIN CHRISTLICHER DEMOKRAT IN ÖSTERREICH

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Nach langem Leiden ist im Städtischen Krankenhaus in Bregenz im 85. Lebensjahr Dr. Otto Ender gestorben: ein aufrechter Christ, Demokrat, Österreicher. Mit ihm ist einer der letzten großen österreichischen Persönlichkeiten der Ersten Republik von der Bühne der Geschichte abgetreten. Sein Lebensweg ist, in Aufstieg, Erfolg und Tragik, eng verknüpft mit dem Schicksal Österreichs 1918 bis 1938.

Otto Ender wurde in der Christnacht 1875 als Sohn eines Stickferggers in Altach in Vorarlberg geboren. Sein Großvater, Mitglied des Vorarlberger Landtages, führt den Enkel in die Politik ein. Otto Ender besucht die Stella Matutina in Feldkirch, das berühmte Jesuitenkonvikt, und studiert dann die Rechte in Innsbruck, Fribourg, Prag und Wien. 1908 vermählt er sich mit Maria Rusch, deren Vater, Großvater und Urgroßvater Landammänner von Appenzell waren. Bestes Erbe vom Geist schweizerischer Demokratie und politischer Redlichkeit kommt ihm hier in seine Ehe zu, deren vorbildliche Kraft ihm hilft, in Verbindung mit einem starken Glauben, schwere Schläge zu überwinden. Der Rechtsanwalt Dr. Otto Ender wird 1918, nach der Lösung Vorarlbergs von Tirol, einstimmig zum Landeshauptmann von Vorarlberg gewählt. Zunächst gehört seine ganze Energie dem wirtschaftlichen Aufbau seines engeren Heimatlandes. Ender baut tatkräftig und voraussehend die Vorarlberger Energiewirtschaft mit auf, die Iiiwerke und die Vorarlberger Kraftwerke, den Bau des Gampadelswerkes.

Streng rechtlich und redlich, frei von jeder Korruption und im schlechten Sinne niedrigen Parteihörigkeit, wird der Landeshauptmann von Vorarlberg in dem von inneren Krisen erschütterten Österreich der Ersten Republik zur stillen, eisernen Reserve der Demokratie und des Rechtsstaates. Nach dem endgültigen Rücktritt Seipels und dem Scheitern einer Bundesregierung mit Heimwehrbeteiligung wird Dr. Ender am 4. Dezember 1930 Bundeskanzler. Ihm gelingt die Rückkehr zu den Formen parlamentarischer Demokratie und die Einigung der politischen Parteien über einen neuen Finanzausgleich — Dinge, die kaum jemand für möglich gehalten hätte. Ihm gelingt sodann der berühmte „Ritt über den Bodensee“: die Rettung der österreichischen Wirtschaft durch die Sanierung der vom Zusammenbruch bedrohten Credit^ A-tstalt. Nach harter, notwendiger Arbeit verweigert man ihm die notwendigen Vollmachten. Am 20. Juni 1931 kehrt er nach Vorarlberg zurück, der „getreue Eckhart“ der Demokratie, wie man ihn genannt hat.

Das Drama Österreich nimmt seinen Verlauf und füllt nun sein Leben mit steigender Tragik. Am 19. Juli 1933 beauftragt Bundeskanzler Dollfuß den Vorarlberger Landeshauptmann Ender mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Vom Ringen Otto Enders mit Bundeskanzler Dollfuß um eben diese Verfassung zeugt die Tatsache, daß erst der dreizehnte Entwurf akzeptiert wurde, bei dem wenig mehr von den ursprünglichen Grundlagen übrigblieb.

Von 1934 bis 1938 hat Otto Ender versucht, von der Demokratie und der staatsbürgerlichen Freiheit zu retten, was zu retten war — nicht zuletzt ah Präsident des Österreichischen Rechnungshofes, dessen Stellungnahmen eine letzte Form legaler Kritik im autoritär gewordenen Staat waren. Otto Ender hat das, was er da erlebt hat, in diesen Jahren 1934 bis 1938 innerlich nie überwunden. Am 11. März 1938 verhaftet, später freigelassen, mit der Bedingung, den „Gau Tirol-Vorarlberg“ nicht mehr zu betreten, wird er gegen Kriegsende vom Gauleiter Hofer, dann von Frankreichs Außenminister Bidault bemüht. Beides kommt, in verschiedenem Sinne, zu spät. Dieser Vorarlberger Christ, Demokrat, Österreicher, kehrt nicht mehr in die Politik zurück. Seiner Familie gilt seine letzte Sorge. Knapp ein Jahr geht ihm im Tode die geliebte Gattin voraus. Nun ist auch sein Leben erloschen: ein Leben, das treuer Dienst war und eben durch seine Loyalität und persönliche Verpflichtung in eine unleugbare Tragik verstrickt wurde. '

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