6641933-1957_51_13.jpg
Digital In Arbeit

Einer der „Vierzehn Nothelfer“

19451960198020002020

Dr. Otto Ender. Von Hans Huebmer. Vorarlberger Verlagsanstalt, Dornbirn. 223 Seiten

19451960198020002020

Dr. Otto Ender. Von Hans Huebmer. Vorarlberger Verlagsanstalt, Dornbirn. 223 Seiten

Werbung
Werbung
Werbung

Der Pressereferent von Vorarlberg, Dr. Hans Huebmer, hat Grund zu dreifacher Freude. Zunächst konnte er vor kurzem zum fünfhundertsten Male vor das Mikrophon treten, um seinen über den Sender Vorarlberg seit 1945 ausgestrahlten Wochenkommentar zu sprechen. Dazu kommt die Vollendung des vorliegenden Buches, das — und dies ist das Dritte, worüber sich Dr. Huebmer mit Recht freuen kann — Anfang Dezember bei Robert Speller and Sons in New York unter dem Titel „Chancellor before the Cataclysm" auch bereits in einer englischen Uebersetzung aufgelegt wurde.

Hans Huebmer erzählt die Lebensgeschichte des langjährigen Landeshauptmannes von Vorarlberg und einzig Ueberlebenden aus der langen Liste der einmal nach der Zahl der Kabinette zwischen den Regierungen Schober I und Dollfuß höhnisch „Vierzehn Nothelfer“ genannten Regierungschefs der Ersten Republik. Mit seinen Landsleuten Jodok Fink Und Prälat Drexel war Dr. Ender der Hauptvertreter alemannischer Nüchternheit und eines redlichen demokratischen Sinnes, der auch in unseren Tagen Schule gemacht hat. In der Tat: ein Helfer in der Not.

Breiter Raum ist in der vorliegenden Publikation, die herauszugeben die Vorarlberger Verlagsanstalt als eine Ehrenpflicht ansah, selbstverständlich der erfolgreichen Tätigkeit Dr. Enders im „Ländle“ ge-

widmet. Aber auch: die Bundespolitik, in der Ender neben seiner Kanzlerschaft in bewegter Zeit (Dezember 1950 bis Juni 1931) vor allem als Verfassungs- minister im Kabinett Dollfuß und später noch mittelbar als Präsident des Rechnungshofes eine Rolle spielte, kommt nicht zu kurz. Hier vereinigt der Autor in glücklicher Weise Zeugenaussagen des heute im. 82. Lebensjahr stehenden Altbundeskanzlers mit eigenen Erinnerungen aus der Zeit seiner Tätigkeit als Redakteur der „Reichspost". Die Zeitgeschichte wird neben anderem vor allem, Dok tor Enders Aussprache mit dem nach der Ermordung seines Vorgängers eben die Kanzlerbürde übernehmenden Dr. Schuschnigg notieren, in der Doktor Ender sich — leider vergeblich — für die Entlassung Major Feys aus der Regierung und für die Ausschreibung einer Volksabstimmung aussprach. Besonderes Interesse gebührt natürlich dem Wandel, den die Entwürfe der aus christlich-demokratischen Wurzeln entsprossenen und unter in- sowie ausländischem Einflüsse zu einer autoritären Frucht gereiften Ständestaatsverfassung durchgemacht haben. Wer weiß heute zum Beispiel von der durchschnittlich politisch gebildeten österreichischen Oeffent- lichkeit noch, daß in den ersten Konzepten Doktor Enders durchaus auch eine politische Repräsentanz des Volkes vorgesehen war? Die Frage „Maiver- fassUng 1'934“ und ihr Vorspiel kann in der vorliegenden Biographie, derem Wesen entsprechend, nur skizzenhaft' gezeichnet werden. Sie verdiente einmal eine Spezialuntersuchung.

Aktuell ist Huebmers mit einem Brief Seipels an Ender außerdem belegte Erinnerung, daß unter der Kanzlerschaft von Letzterem die ersten Schritte zum Abschluß des Konkordats gemacht wurden, das unsere Gegenwart in so hohem Maße beschäftigt. (Hier sei es gestattet, gleich einen kleinen Lapsus des Verfassers zu korrigieren. Wenn Huebmer schreibt, „der Bundeskanzler besprach sich mit dem Wiener Apostolischen Nuntius, mit Kardinal Innitzer und den übrigen'Bischöfen ..(S. 135), so kann hier wohl nur Kardinal Piffl gemeint sein. Diese Unterredung fand im Frühjahr 1931 statt. Univ.-Prof. Dr. Theodor Innitzer wurde erst mehr als. ein Jahr nach dem Ende von Enders Kanzlerschaft, am 20. September 1932, Erzbischof von Wien, Kardinal gar erst im März 1933.)

Ein Buch, das, über die gebührende Würdigung einer bedeutenden politischen Persönlichkeit hinaus, jedem um die Erforschung der Ersten Republik Bemühten von Nutzen ist.

Nebenbei: Schade, daß der Schutzumschlag den Anforderungen zeitgemäßer Buchausstattung nicht voll gerecht wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung