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"Radio Liberty", der in Prag beheimatete US-finanzierte Sender, strahlt auch ein Programm für den Kaukasus aus. Moskau ist darüber mäßig begeistert.

Zum Missfallen Moskaus versorgt das in Prag ansässige Radio Liberty Russland und die ehemalige Sowjetunion mit Programmen in den jeweiligen Landessprachen. Erst im April dieses Jahres hat die vom US-Kongress finanzierte Station die Übertra-gung in den kaukasischen Sprachen Tschetschenisch, Awarisch und Tscherkessisch aufgenommen. Der Kreml protestierte heftig. In den schwer bewachten Prager Headquarters von Radio Liberty stellten sich Nenad Pejic, Associate Director, und Aslan Ajubov, Direktor der Nordkaukasus-Abteilung, den Furche-Fragen.

Die Furche: Präsident Putins Sprecher Sergej Jastrschembskij drohte gleich zu Beginn des Nordkaukasusdienstes, man werde sich die Sendungen aufmerksam anhören.

Nenad Pejic: Es ist normal, dass Russlands Machthaber über den Kaukasussender besorgt sind. Soweit ich weiß, gab es bisher keine offizielle Reaktion zum Programminhalt. Immer wenn wir einen neuen Dienst starten, begegnen uns mehr oder weniger die gleichen Vorurteile. Radio Liberty ist aber nicht für oder gegen Russland, sondern sendet möglichst objektiv die Fakten und präsentiert dem Hörer eine Reihe von Reaktionen, um ihm selbst das Urteil zu überlassen; denn viele Menschen in den ehemaligen kommunistischen Ländern wurden durch Staatsmedien desinformiert.

Die Furche: Wie reagieren die Hörer auf ihr Nordkaukasus-Programm?

Aslan Ajubov: Meist sehr positiv, übrigens auch die nordkaukasische Diaspora in der Welt. Die Menschen sind sehr dankbar, Sendungen in ihrer Muttersprache hören zu können. Auch ist es ein großer Auftrieb für die Pflege dieser Sprachen, zumal Tschetschenisch in den Schulen nicht mehr gelehrt wurde. Im Kaukasus gibt es leider nur ganz ganz wenige unabhängige Medien.

Die Furche: Kürzlich hat die Moskauer Helsinki-Gruppe festgestellt, in Tschetschenien habe sich überhaupt nichts geändert. Wie beurteilen Sie die Lage?

Ajubow: Menschenrechtsorganisationen und unsere Reporter berichten, dass es hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen sogar schlechter wird. Die Bevölkerung hat große Angst vor den russischen Gewaltakten. Aus Unsicherheit kehren die Menschen auch nicht ins Land zurück. Es sind vor allem die "Säuberungsaktionen", wo russische Truppen ungestraft junge Männer verprügeln oder umbringen. Wir haben auch Berichte, dass Frauen ebenfalls Opfer dieser Aktionen werden. Es reicht, dass man jemandem missfällt oder widersprochen hat.

Die Furche: Was berichten Ihre Reporter über ihre Arbeit? Welchem Druck, welchen Gefahren sind sie ausgesetzt?

Ajubov: Momentan haben wir einen Reporter in Tschetschenien und einen zwischen Inguschetien und Tschetschenien. Da ist einmal die persönliche Sicherheit - gewisse Leute gaben ihm zu verstehen, sie wüssten, dass er für Radio Liberty arbeitet; daher musste er schon zweimal seinen Decknamen ändern. Manchmal muss seine Frau die Texte sprechen, weil er einfach Angst davor hat. Sollte er mit einem Satellitentelefon erwischt werden, riskiert er ernsthafte Konsequenzen. Geschweige denn, wenn er es einschaltet: Wenn nämlich die spezielle Luftwaffe der Russen diese Hochfrequenzsignale, die auch tschetschenischen Truppen verwenden, aufspürt, greifen sie die Stelle an, wo sich das Telefon befindet. Auch die Anführer des tschetschenischen Widerstands haben deshalb in letzter Zeit nur noch Audiokassetten für die Übertragung ihrer Reden verwendet.

Die Furche: Wie sehen Sie die Tschetschenien-Berichterstattung im Westen?

Ajubow: Unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September waren die Berichte oft unausgewogen. In den letzten Monaten aber wird es mehr und mehr objektiv.

Die Furche: Nun zu Ihrem Russlanddienst, der bei den Sowjetbehörden verhasst war. Hat sich die Haltung ihm gegenüber seit der Perestrojka geändert?

Pejic: Die Menschen in Russland sehen uns meist als nicht freundlich gesinntes Radio. Das kommt vom Kalten Krieg. Der Russlanddienst ist einer unserer wichtigsten. Seltsamerweise sank die Zuhörerschaft in den letzten fünf Jahren von sechs auf zwei Prozent. Wir sehen uns daher veranlasst, das Programm moderner und dynamischer zu gestalten und die Übertragungsqualität zu verbessern. Erfahrungsgemäß kommen die Zuhörer in Krisenzeiten zu uns zurück.

Die Furche: Die Zuhörerzahl sank, obwohl gleichzeitig die freien Medien in Russland jüngst wieder stärker unter Druck geraten. Warum kommen da die Hörer nicht zu Ihnen zurück?

Pejic: Sie kommen zurück in Moskau, wo die Zuhörerrate am höchsten ist. Aber die potenzielle Zuhörerschaft für freie Medien ist viel höher. Deshalb müssen wir unseren Dienst verbessern.

Die Furche: Aber wie steht die russische Regierung zu Ihrem Sender?

Pejic: Russlands Informationsminister Michail Lesin kündigte an, er werde uns irgendwie in die Knie zwingen. Aber wir sind darauf vorbereitet, dann werden wir ganz einfach die Kurzwelle wieder aufgreifen.

Das Gespräch führte Eduard Steiner.

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