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Eine neue Melisande

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Claude Debussys einzige Oper „Pel- lėas et Mėlisande“ nach dem gleichnamigen Bühneniwerk van Maurice Maeterlinck wurde im April 1902 in Paris uraufgeführt, kam aber erst 1911 an die Wiener Staatsoper, wo Bruno Walter die Premiere dirigierte. Nach einigen Reprisen verschwand das Meisterwerk des Impressionismus für viele Jahre vom Spielplan und bis sich, im Jänner 1962, Herbert von Karajan seiner an- nahm, wurde es in Wien nur von Gästen gegeben: 1928 durch die Kölner und 1946 von einem Ensemble der Pariser Oper. Auch jetzt, vor der Neueinstudierung durch Richard Bietschacher, die am vergangenen Freitag Premiere hatte, war wieder eine größere Pause entstanden. Doch das Warten und die Mühe haben sich gelohnt. Unter der sensiblen Leitung von Andrė Cluytens und mit erstklassigen Kräften in allen

Hauptpartien erlebten wir eine höchst eindrucksvolle Aufführung von hohem Niveau.

Von den Solisten der Karajan-Premiere vor fünf Jahren ist nur noch der schlanke Henri Gut geblieben, der die jünglinghafte Anmut eines Gerard Philipe besitzt und für die Partie des Pellėas auch als Sänger hervorragend geeignet ist. — Die Mėlisande sang delikat und deutlich Jeanette Pilou, auch sie in der Erscheinung ihrer Rolle auf ideale Weise entsprechend. Einen temperamentvollen Golaud sang und spielte Gabriel Bacquier, lediglich im elften Bild, der großen Eifersuchtsszene, agierte er um einige Nuancen zu handfest. In kleineren Rollen: Grace Hoffman — Gneviėve, Walter Kreppei — Arkel, Hilda de Groote — Yniold, Hans Braun — Arzt. — Es wurde nicht nur mit vorbildlicher Deutlichkeit deklamiert (was wegen der Schleiervorhänge besonders anzuarkennen ist), sondern auch akzentfrei gesungen. Nur Walter Kreppei sollte seine Aussprache noch ein wenig überprüfen lassen, speziell die weichen und die scharfen S-Laute. Im Ganzen: ein großer und interessanter Abend für Kenner und Liebhaber.

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