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Mitneidgesellschqft

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In Wahrheit fordern das neue Auto, die süßeren Kirschen und das Bestsellerbuch der anderen nur unseren Neid heraus.

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In Wahrheit fordern das neue Auto, die süßeren Kirschen und das Bestsellerbuch der anderen nur unseren Neid heraus.

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Eine alt-neue Gesellschaft kommt in die Jahre: unsere '„Mitneidgesell-schaft”. Wir feiern die Feste und die Kurswerte der Nächstenliebe wie sie fallen. Haben Sie es schon bemerkt? Kirschen und Solospargeln aus Nachbarsgarten sind immer süßer und dicker als die eigenen. Hält das sündteure und nagelneue Auto des Freundes keineswegs das, was ihm der Händler versprach, so bewegt sich unser Mitleid in beruhigend engen Grenzen. Erntet der Büro-Kollege die mißmutige Kritik des Chefs, dann begeilen wir uns am geheuchelten Mitleid.

Soziologen loben unsere Lei-stungs- und meinen die Neidgesellschaft und preisen die Vorzüge — wie alle geschickten Händler die eigene Ware - der „Konkurrenz”, die uns (angeblich) täglich herausfordert. In Wahrheit fordern das neue Auto, die süßeren Kirschen und das Bestseller-Buch der anderen immer nur unseren Neid heraus.

Nach langwierigen Forschungsarbeiten gelang es dem Autor, einige einschlägige Bauern(schläue)regeln aus mehreren Regionen zusammenzutragen:

■ „Die Schwäche der anderen muß nicht unbedingt unsere Stärke sein; aber fast immer!” (Bärental)

■ Das Floriani(gasse)prinzip: „Wer im 8. Bezirk wohnt und parken will, der sollte das Auto seines Nachbarn anzünden!” (Josefstadt)

■ „Ohne Rauch geht's auch - aber nicht bei der Namensgebung!” (Burgenland)

■ „Wer die ,ewige Wahrheit' sucht, der komme - trotzdem - nach St. Pölten!” (Niederösterreich)

■ „Wer die große Koalition nicht ehrt, ist die kleine nicht wert!” (Graz)

Die Mitneidgesellschaft ist nicht universell, nicht alle Menschen gehören ihr an; Helden und Heilige sind ihr genauso fremd, wie Sie geneigte Leser und -in - und ich. In uns kann das modischeste und teuerste Kleid der Freundin, der schnellste Privat-Jet des Freundes, der größte Erfolg der Konkurrenz keinen Funken Neid auslösen. Wir sind -glücklicherweise - kein Teil der Mitneidgesellschaft, uns bleibt sie fern und fremd.

Sollten wir doch, ohnedies selten genug, ein ganz klein bißchen Neid verspüren, so geht es dabei höchstens um den „gänzlich unverdienten” Erfolg des Mitbewerbers, der „Leistung immer mit Protektion ersetzt”; um das größere Haus und Auto des Nachbarn, die er „erfolgreich ergaunerte”, oder schlicht und einfach um die Weltreise eines Bekannten, der diese natürlich aus „Steuerhinterziehung” finanzierte. Aber mit der Mitneidgesellschaft haben wir nicht das geringste zu tun ...!

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