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Auf vielen Bühnen zu Hause

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Um Nestroy-Zeitgenossen von einst und heute ging es diesmal bei den Internationalen Nestroy-Gesprächen in Schwechat bei Wien, die unter der Leitung von Walter Mock und Hans Hüttner das Thema theoretisch und praktisch - mit Darstellungsbeispielen, Filmaufzeichnungen und Regiekonzepten —kompetent behandelten.

Nestroy, der selbst den Umgang mit den Größen der Zeit mied, stand inmitten des gesamteuropäischen Kulturgeschehens: Mit bis zu dreißig Premieren im Jahr und unter Vertragsdruck stehend, wartete er auf die literarischen Neuerscheinungen aus London, Paris oder Berlin, um sie, wie Susan Wimmer (Wien) ausführte, zu Vorlagen oder Parodie-Objekten seiner Stücke zu machen. Paul de Kock, Charles Dickens, Eugene Scribe, Edward G. Bulwer-Lytton lieferten ihm Material für seine eigenen Werke, die oft vom Volk mit mehr Begeisterung aufgenommen wurden als von Kritik und Bildungspublikum.

Nach der Meinung von Edgar Yates (Exeter) lernte er unbefangen daraus und experimentierte in seinen Stücken mit der Wechselwirkung auf die zeitgenössische Rezeption. Intuitiv und durch seine eigenen Erfahrungen als Schauspieler entschied er oft gegen die Einwände seiner Kritiker und gelangte so zu seinem sozialkritisch veränderten Genre von Volksstück. Als beliebter Schauspieler konnte er Sozialromantik und verlogene Grausamkeit gegen Außenseiter entlarven, und als Dramatiker bekämpfte er die didaktisch-idealisierende Zauberposse.

Walter Obermeier (Wien) belegte mit seinen Ausführungen über „Nestroy im Dritten Reich”, daß der heitere und nicht „artfremde” Nestroy mit seinen nun rassisch-weltanschaulich gesehenen Volksstücken nach dem Anschluß gut vereinnahmt werden konnte. Nach dem Zusammenbruch der bis dahin geltenden Theaterspielpläne konnte so die Lücke gefüllt werden, wobei Nestroy natürlich völlig verharmlost wurde.

Hans Weigel berichtete von seinen legendären Zürcher Sylvester-Premieren im Exil, in denen er mit der dort. angesiedelten Österreicher-Kolonie mit denselben Nestroy-Stücken den Faschismus anprangern konnte und so auch die spätere Renaissance echten Nestroy-Verstehens einleitete.

Peter Haida (Münster) konfrontierte die beiden sprachmächtigsten Vormärz-Satiriker, Heinrich Heine und Nestroy, die mit ähnlichen Techniken und Finessen, mit Weltschmerz und Sprachspielen, auf verschiedenen Ebenen Wirkungen erzielten und Interessenten erreichten. Beide nützten ihre Zensurprobleme schöpferisch und mußten sich doch der Zerstörung von Idealen, der Desillusionierung, der Gemeinheit und Possenreißerei zeihen lassen.

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