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Dennoch optimistisch

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Gleich in der ersten Szene heißt es von der Titelfigur des Erstlingswerks von Ferdinand Raimund, das sei ein spaßiger Mensch, ein lebenslustiger Mensch. Lebenslustig? Wohltuend gerade in der heutigen Zeit. Wir sprechen von Bartholomäus Quecksilber in der Zauberposse „Der Barometermacher auf der Zauberinsel“, die derzeit im Volkstheater aufgeführt wird.

Der Zauber der dem zugrundegegangenen Barometermacher von einer Fee verliehenen Gaben, die zu unermeßlichem Reichtum, zu gewaltiger Macht verhelfen, in jedes Gemach zu gelangen ermöglichen, wirkt auch auf uns, vielleicht deshalb, weil wir den heutigen unwahrscheinlichen Errungenschaften der Technik ganz gerne einmal entschlüpfen. Das Unwahrscheinliche hat hier ursprünglichen Reiz, ist noch nicht technisiert.

Wenn sich Bartholomäus Quecksilber gar in Zoraide, die selbstsüchtige Tochter Tutus, des Beherrschers jener Zauberinsel, auf die er verschlagen wurde, verliebt, sie sich als heimtük-kisch berechnend, fast als Inkarnation des Bösen erweist, und er ihr nun eine große Nase ins Gesicht zaubert, wird das ein Spaß der ausgleichenden Gerechtigkeit, über die wir nun doch lächeln.

Das Liebenswürdige des gewiß nicht tiefreichenden Stückes spricht vor allem aus der Gestalt des Quecksilber, der, wenn er schlecht behandelt, betrogen wird, die Falschheit Zo-raides zu spät erkennt, in allem Ungemach immer noch unverzagt an das Leben glaubt, denn - frei nach Leibniz - diese Welt ist die beste. Ja, dieser Quecksilber ist in jeder Situation zu Spaßetteln bereit, zu witzigen Wortspielen, die sich über die Situation erheben. Bedrängnisse verlieren die Kraft des Bedrängenden. Und diese Gestalt schuf Raimund, den der Burgschauspieler Costenoble mit Recht als Hypochonder bezeichnete, Raimund, der sich selbst das Leben nahm.

Mag auch ein Teil der heutigen Jugend alles Liebenswürdige ablehnen und nur scharfe Sozialkritik und Satire anerkennen, so hat Regisseur Gustav Manker doch recht, wenn das Liebenswürdige dieser Posse herausarbeitet. Generell gesehen ist das Publikum hierin heute unterversorgt. Das Einheitsbühnenbild von Rolf Langenfass, der auch effektvolle Kostüme entwarf, erspart die zahlreichen Verwandlungen. Es bietet ein Podium mit zwei seitlichen, schmalen, hohen Türmen, die im Verein mit planen Versatzstücken im Hintergrund die etwas süßliche Vorstellung „Orient“ vermitteln, der Gegensatz zu den dauernden Anspielungen auf Wien wird so recht spürbar. Aus den Türmen blik-ken Fee und Nymphe, die heutige szenische Schwierigkeit mit derlei Geistern ist damit behoben. Die Zwergengarde verwandelt Manker in eine drollige Mädchenschar in weißen Badeanzügen aus Großmamas Zeit.

Den quecksilbrigen Quecksilber gibt Heinz Petters - bei der Premiere arg heiser - mit springlebendiger Beweglichkeit. Die attraktive Anne Stegmann ist als Zoraide ganz erotische Kälte und Glätte. Edith Molik übernahm die Rolle der Kammerzofe Linda wegen Erkrankung von Brigitte Swoboda am Premierentag und bot eine lebendig temperamentvolle Gestalt Den Inselherrscher Tutu, der sich immer niederlegen und ausruhen will, spielt Herbert Propst mit dem nötigen Phlegma. Beachtlich wirken Doris Weiner als Nymphe, Bernhard Hall als Tutus Leibdiener. Norbert Paw-licki richtete die reizvolle Musik von Wenzel Müller ein und leitet das kleine Orchester. Rudolf Bachheimer bewährt sich als Choreograph.

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