7110279-1995_48_06.jpg
Digital In Arbeit

Flüchtlinge und Fremde

Werbung
Werbung
Werbung

Seit der Paraphierung des sogenannten Friedensvertrages von Dayton/Ohio sind die Flüchtlinge wie aufgescheucht. Aus allen Aufnahmeländern kommen Meldungen, daß eine wachsende Zahl zurückkehrt in die Heimat. In manchen Ländern werden Vorkehrungen für eine umfassende Hilfe für freiwillige Bückkehrer getroffen, andere beeilen sich, den Flüchtlingen die Bückkehr nahe zu legen. Keiner kann wirklich sagen, was diese Menschen in der ehemaligen Heimat heute vorfinden werden.

In jedem Fall aber werden Rückkehrer nicht ihre „alte”, sondern eine ganz „neue” Heimat vorfinden. Sie selbst und die neuen Nachbarn haben sich sehr verändert in den Jahren des Krieges. Sind die einen von den Kriegserfahrungen gezeichnet, so haben die anderen - in großer Mehrzahl - Jahre der Perspektivelosigkeit, der Isolation in fremder Umgebung, der Ungewißheit über das Schicksal der zurückgelassenen Angehörigen, der demütigenden Entbehrungen hinter sich.

Alle sind tief traumatisiert. Wer wird ihnen helfen, Vertrauen aufzubauen? Wer kann garantieren, daß die Mörder von gestern nicht unter ihnen sein werden? Wer kann ihnen helfen, wenn sie von den Landsleuten, die ihr Leben für die Heimat im Krieg einsetzten, abgelehnt, als „Feiglinge und Verräter” gebrandmarkt werden?

Wir müssen den Flüchtlingen in unserer Mitte helfen, noch Geduld zu haben, bis die Situation in Bosnien-Herzegowina klarer geworden ist. Bis sichergestellt ist, daß die NATO, die den Frieden schützen soll, tatsächlich wirksam ist und sein kann und nicht in die Fußstapfen der UNPBOFOB treten wird.

Noch einmal zum Thema: Die Sprache verrät uns. Wie war es möglich, daß in Österreich ein „Fremdengesetz” entstand, anstelle eines „Ausländergesetzes”? Wer ist dafür verantwortlich?

Wenn in den Paragraphen des Gesetzes von „dem Fremden” die Bede ist, dann wird den Exekuto-ren automatisch eine Distanz auferlegt, die eben in der Praxis bedeutet, daß er/sie diesem „Fremden” gegenüber in eine emotional bedingte ablehnende Haltung gerät.

Der „Fremde” ist nie ein Skandinavier, Engländer, Deutscher, sondern immer der fragwürdige „Andersartige”. Die Umgangsformen der Fremdenpolizei mit den „Fremden”, die sie generell als potentielle Kriminelle sieht und entsprechend behandelt, beweisen, daß es weitaus klüger und für Österreichs Ruf günstiger wäre, schnellstens dieses Gesetz umzutaufen in ein nüchternes „Ausländergesetz”.

Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang lehrsam, sich daran zu erinnern, daß wir hier ja auch von „Gastarbeitern” sprechen und nicht von „Fremdarbeitern”, wie sie im Dritten Reich genannt wurden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung