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Pendlernot

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Die amtliche Formulierung klingt recht verlockend und unverfänglich: „Pendler sind jene beschäftigten Personen, bei denen sich Wohnungsgemeinde und Arbeitsgemeinde nicht decken.” Und doch stehen hinter diesen dürren Worten gewaltige soziale Konflikte und bisweilen auch erschütternde Dramen einzelner Menschen- und Familienschicksale auf. Sie sind der bittere Tropfen im Wohlstands-Freudenbecher unserer Tage.

Erschreckend hoch ist die Gesarnt- anzahT der Pferiäler:’J 0 7.980 Üiännef und Frauen, ältere und jüngere Arbeiter und Angestellte. Familienväter und Mütter arbteft Wohnort, sondern mehr oder weniger weit davon entfernt auswärts. Absolut gezählt liegt Niederösterreich mit 192.801 Pendlern an der Spitze vor Oberösterreich mit 123.016 und Steiermark mit 99.957; nach Prozenten (von 100 Beschäftigten der Wohnbevölkerung waren wie viele Pendler) führen Kopf an Kopf Niederösterreich und das Burgenland, unsere beiden wohl auch noch von der Besatzungszeit her be lasteten Bundesländer, mit 30,3 beziehungsweise 29,1 Prozent (bei den Männern allein sogar mit 36,5 beziehungsweise 38,5 Prozent). Auffallend hoch ist die Prozentzahl auch für Vorarlberg (28,1 Prozent), nicht überraschend am tiefsten für Wien (2,8 Prozent).

In den einzelnen Wirtschaftsabteilungen führen Industrie und Gewerbe den traurigen Redgen mit nicht weniger als 447.595 Pendlern an, gefolgt von 105.237 in Handel und Verkehr. Sogar im Haushaltungsberuf gibt es noch 7167 Pendler (darunter 7088 Frauen).

Diese Zahlen, veröffentlicht im Juli-Heft der „Statistischen Nachrichten” des österreichischen Statistischen Zentralamtes, beziehen sich auf den Stichtag der Volkszählung 1961. Die verzweifelten Anstrengungen des Burgenlandes und einiger Notstandsgebiete Niederösterreichs, hier durch Ansiedlung fremder und Gründung eigener neuer Industrie- und Gewerbebetriebe Abhilfe zu schaffen, sind bekannt und haben seither erfreuliche, wenn auch noch immer ungenügende Teilerfolge errungen. Es ist daher anzunehmen, daß der bestürzende Höhepunkt von 1961 inzwischen überschritten ist.

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