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Freizügigeres Asykecht

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Es ist zunächst, auf den ersten Blick, ein juristisches Wortspiel: Bestand die Reagan-Regierung für den Fall der Einräumung poli-, tischen Asyls bisher darauf, daß ein Antragsteller die „eindeutige Wahrscheinlichkeit" seiner Verfolgung in einem anderen Land nachweisen mußte, so hat das Oberste Bundesgericht der USA die Bedingimgen jetzt erleichtert. Antragsteller brauchen nur noch die „wohlbegründete Furcht" vor Verfolgung zu beweisen, um in den USA politisches Asyl gewährt zu bekommen.

Ein Wortspiel also, wenn auch mit tieferer Bedeutung. Die Experten sind sich in der Analyse der neuen Situation nicht einig. Obwohl der oberste Richterspruch, der mit sechs gegen drei Stimmen nicht sehr überzeugend ausfiel, vielleicht Millionen Menschen aus Problem-Staaten, wie Haiti, Nikaragua und El Salvador, ein Asylrecht in den USA einräumt, handelt es sich bei dem juristischen Dokument erst einmal nur um ein Stück Theorie - die Praxis kann ganz anders aussehen. Und sie wird wahrscheinlich anders sein.

Dem Spruch des Oberstgerichts der USA lag eine Klage der 38j ährigen Nikaraguanerin Luz Marina Cardoza-Fonserca zugrimde. Ihr

Bruder ist ein Contra, ein Widerstandskämpfer gegen das Sandi-nisten-Regime. Sie wollte in den USA bleiben, weil sie bei einer Rückkehr nach Nikaragua mit Verfolgung, Haft und Folter rechnete - ihres Bruders Aktivitäten wegen. Aber sie koiuite diese Befürchtung nicht nachweisen, wie es die Reagan-Auslegung des Flüchtlings- und Asylaktes der

UNO von 1967 vorschreibt. Deshalb stand sie vor der Abschiebung nach Nikaragua, die sie durch die Klage verhüidern konnte.

Der Anwalt der jungen Frau. Carlos Vasquez, begrüßte die Entscheidung des Supreme Court, die seiner Mandantin entgegenkommt, und erzählte gutgelaunt folgendes: ..Bisher hieß es bei uns Einwanderungs-Anwälten, wir könnten nur dann Erfolg haben, wenn ein Mandant von ims einen Drohbrief seines Diktators vorweisen könne - das ist nun Vergangenheit."

Er hätte das Wort ,4ioffentlich" einfügen sollen. Denn der Justizminister der USA hat auch nach diesem obersten Richterspruch, der eben Theorie ist, nach wie vor das Recht - und das ist die Praxis -, Asyl zu verweigern. Das liegt allein in seinem Ermessen, weshalb das Oberste Gericht in der Erläuterung zu seinem Urteil auch hinzufügte, der Spruch könne ..wegen des Ermessensrechts des Justizministers limitiert sein".

Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis in Zukunft gehandhabt wird. Sicherlich dürfte es in Zukunft einfacher sein, politisches Asyl eingeräumt zu bekommen -aber ein Freibrief ist das Urteil nicht: Es wird weiterhin zu zahllosen Asyl-Verweigerungen kommen, zu mehr sicherlich, als den Emigrations-Anwälten lieb ist.

Dabei darf auch nicht übersehen werden, daß angesichts von Millionen illegalen Einwanderern, vor allem aus Mexico, in der Bevölkerung kaum Verständnis für erleichtertes Asyl zu finden sein wird. Das betrifft nicht eindeutig Verfolgte, wie Menschen aus osteuropäischen Staaten beispielsweise. Flüchtlinge aus spanisch sprechenden Ländern werden als „wirtschaftliche Opportunisten", die Arbeitsplätze wegnehmen, angesehen - zu Recht oder Unrecht: Das spielt keine RoUe, wenn es um Emotionen geht, und die sind eindeutig gegen zu freizügiges Asylrecht.

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