Was passiert, wenn die Mehrheit eines Pfarr- gemeinderates (PGR) mit dem Pfarrer in einer Frage nicht einer Meinung ist? Wer entscheidet: Die Mehrheit? Der Pfarrer? Eine übergeordnete Instanz?
Im Grunde ist die Frage Theorie, denn in der Praxis wird man sich dann eben „zusammenraufen“, weil PGR und Pfarrer einander notwendig brauchen. Trotzdem ist interessant, daß in dieser Frage in Österreich jüngst, zumindest in Wien und St. Pölten (in anderen Diözesen wäre das noch zu untersuchen),’ neue Regelungen in Kraft getreten sind.
Nach wie vor kann der Pfarrer durch sein Veto einen Mehrheitsbeschluß des PGR unwirksam machen. Während aber bisher der PGR in diesem Fall das theoretische (praktisch nie ge-
nutzte) Recht hatte, beim Vikariat oder Ordinariat schriftlich ein Schiedsgericht zu der strittigen Frage zu beantragen, wurde ihm diese Möglichkeit nun mit Hinweis auf das neue Kirchenrecht, den Codex iuris canonici (konkret auf can. 536 § 2 CIO, genommen.
Nun hat das Vetorecht des Pfarrers sicher gute Gründe. Er soll ja hauptverantwortlicher Hirte seiner Gemeinde sein, und es ist ihm nicht zuzumuten, von ihm nicht gebilligte Beschlüsse des PGR quasi als dessen Handlanger ausführen zu müssen. Anderseits sollten aber auch die PGR-Mitglieder nicht den Eindruck haben, dem Pfarrer völlig ohnmächtig ausgeliefert zu sein.
In der Praxis wird im — äußerst seltenen — Falle einer Konfrontation zwischen Pfarrer und PGR ein brüderliches Gespräch unter Beiziehung Dritter ohnedies unumgänglich sein - warum sollte es ein Schaden sein, ein solches Gespräch für Konfliktfälle vorzusehen?
Vielleicht läßt das neue Kirchenrecht Österreichs Diözesen wirklich keine Chance, anders vorzugehen (das mögen die Kirchenrechtler prüfen). Nur eines befremdet: Pfarrgemeinderäte gibt es seit den frühen siebziger Jahren, den neuen Codex erst seit 1983. Wird hier nicht der Verdacht genährt, daß Früchte des Konzils wie der PGR mittels Kirchenrecht ausgehöhlt werden, indem man aus einem Mit- bestimmungs- ein reines Beratungsgremium macht?
