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Nur nebensächliche Fragen?

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Der neue St. Pöltner Bischof Kurt Krenn hat mit Berufung auf eine römische Verordnung ein für „alle Messen" geltendes Verbot von Ministrantinnen in seiner Diözese ausgesprochen, später wurde dieses auf „Bischofsmessen" beschränkt. Worum geht es?

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Der neue St. Pöltner Bischof Kurt Krenn hat mit Berufung auf eine römische Verordnung ein für „alle Messen" geltendes Verbot von Ministrantinnen in seiner Diözese ausgesprochen, später wurde dieses auf „Bischofsmessen" beschränkt. Worum geht es?

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Eine Vorbemerkung: Die seit Jahren hinschwelende Diskussion um die Ministrantinnen führte zuletzt zunehmend zu Ermüdungserscheinungen. Dem Engagement besonders der Frauen in dieser Frage wurde - meist von „konservativer Seite" - entgegengehalten: „Ihr konzentriert Euch auf nebensächliche Fragen." Die besorgte Sensibilität der Frauen hat sich aber als richtig erwiesen. Wie anders könnte man sonst verstehen, daß das Verbot der Ministrantinnen durch Kurt Krenn an den Beginn seiner Tätigkeit als Diözesanbischof gestellt wurde.

Die Maßnahme erfuhr vielfache theologisch und pastoral berechtigte Kritik. Eines jedoch blieb selbst in kritischen Kommentaren unbestritten: Man attestierte Bischof Krenn, formaljuristisch im Recht zu sein. Aber gerade das dürfte nicht der Fall sein. Wenn man die kirchenrechtliche Literatur durchliest, wird man finden, daß bisher die weit überwiegende Zahl der sich mit dieser Frage beschäftigenden Kanonisten - anders vielleicht als mit der Liturgie befaßte führende Amtsträger an der römischen Kurie -davon ausgeht, daß die für das Verbot herangezogene Bestimmung aus 1980 durch den Codex Iuris Canonici (CIC) 1983 aufgehoben wurde.

Verbot fiel 1983 weg

Wie sieht also die rechtliche Entwicklung in dieser Frage aus? Das alte kirchliche Gesetzbuch von 1917 kannte ein ausdrückliches Verbot weiblicher Ministranten. Aber auch nach dem Zweiten Vatikanum enthielten sowohl die „allgemeine Einführung in das kirchliche Meßbuch" als auch die dritte Liturgieinstruktion - beide aus 1970 - das Verbot des Altardienstes für Frauen. Allerdings wurde ihnen 1970 das Lektorat und drei Jahre später die ebenfalls im Altarraum erfolgende Kommunionspendung übertragen.

Die 1980 herausgegebene Instruktion der Kongregation für den Gottesdienst „Inaestimabile donum" enthält aber weiterhin das Verbot für Frauen, die Ämter der „Akolythen oder am Altar Dienenden" auszuüben. Gehen wir mit der Mehrheit der Autoren davon aus, daß mit dieser Formulierung tatsächlich unsere Ministranten/innen angesprochen wurden, dann wurde damit nach allgemeiner Überzeugung den Mädchen ein im Vergleich zur Kommunionspendung durch Frauen geringerer Dienst verweigert.

1983 trat dann der neue Codex Iuris Canonici in Kraft. In Canon 280 Paragraph 1 werden ausdrücklich die Dienste der durch den vorgeschriebenen liturgischen Ritus durch den Bischof auf Dauer bestellten Lektoren und Akolythen den Männern vorbehalten. Alle anderen Funktionen können gemäß Canon 280 Paragraph 2 -der ausdrücklich die Formulierung „omnes laici" verwendet - unterschiedslos von Männern und Frauen wahrgenommen werden. Zu diesen anderen Funktionen gehört auch das Ministrieren, denn Ministranten/innen werden nicht durch einen vorgeschriebenen Ritus auf Dauer zum Ako-lythat bestellt, sondern vom Pfarrer ohne entsprechenden Ritus berufen. Auch bei der Assistenz für die Eucharistiefeier eines blinden oder an einer anderen Schwäche leidenden Priesters werden gemäß Canon 930 Paragraph 2 Frauen nicht ausgeschlossen.

In seinem Grundrechtskatalog geht das kirchliche Gesetzbuch überdies von einer fundamentalen Gleichheit der Gläubigen aus und betont in Canon 228 Paragraph 1, daß Laien befähigt sind, zu jenen kirchlichen Ämtern und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen. Dies bedeutet, daß eine Unterscheidung und die Bestreitung dieser grundsätzlichen Befähigung nur dort vorgenommen werden darf, wo eine entsprechende sachliche Differenzierung klar zum Ausdruck kommt.

Man kann dem CIC also recht eindeutig die Zulässigkeit von Ministrantinnen entnehmen. Dieser systematische Befund wird durch einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Canons noch bestärkt, wobei auch wesentlich ist, daß der Gesetzgeber das ausdrückliche Verbot für Ministrantinnen des alten Gesetzbuches aus 1917 nicht wiederholte.

Es stellt sich die Frage des Verhältnisses des kirchlichen Gesetzbuches zu den bis dahin geltenden liturgischen Bestimmungen. Auf die heikle Frage des Verhältnisses von alten -Durchführungsverordnungen vergleichbaren - Instruktionen zu einem neuen Gesetz kann hier nicht weiter eingegangen werden. Jedenfalls führt Canon 2 des Codex aus, daß liturgische Gesetze dann ihre Geltung behalten, wenn sie nicht den Canones des Codex zuwiderlaufen. Da der Codex - wie dargestellt - Frauen für befähigt erklärt, zur Aufgabe der Ministrantin herangezogen zu werden, sind alle anderslautenden liturgischen Bestimmungen damit aufgehoben.

Rechtszweifel zu klären

Aber selbst, wenn man aufgrund der zweifellos vorhandenen Vorbehalte der Liturgiker gegen eine formaljuristische Betrachtung meint, die Frage sei derzeit noch nicht entschieden, haben wir den klassischen Fall eines Rechtszweifels im Sinne des Canon 14 voruns. Solange der Rechtszweifel nicht in einem entsprechenden Verfahren durch den zuständigen Gesetzgeber geklärt ist, gilt derGrund-satz dieses Canons, daß das zweifelhafte Gesetz nicht verpflichtet.

Daher eine Bemerkung zu den Zuständigkeiten: Zur Klärung der Frage, ob die Instruktion aus 1980 durch den CIC 1983 aufgehoben wurde, ist die Päpstliche Kommission zur Interpretation von Gesetzestexten berufen. Andere Behörden haben in dieser Frage, solange sie dazu nicht vom Papst ermächtigt sind, keine Kompetenz. Es läßt sich sicher nicht voraussagen, wie die Interpretationskommission entscheiden würde. Ihr Präsident, Kardinal Castillo Lara, hat allerdings bereits 1983 festgestellt, daß mit dem CIC außer beim Weihesakrament und bei den auf Dauer übertragenen Diensten des Lektors und Akolythen keine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen mehr vorgesehen ist.

In einem 1990 erschienenen Buch über Ministrantenarbeit zitierte der Autor zur Frage der Ministrantinnen den Religionspädagogen Fulbert Stef-fensky: „Macht hat viele Möglichkeiten, Menschen zu demütigen, auch die, sie in zu kleine Fragen zu verwik-keln" und merkt dazu an: „Dem ist nichts hinzuzufügen." Ich möchte mich dem anschließen.

Der Autor ist Ordinarius für Kirchenrecht an der Juridischen Fakultät der Universität Wien.

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