Das zu Ende gehende Jahr war für die nationale und internationale Agrarpolitik eine große Herausforderung: der europäische Integrationsprozeß und die GATT-Verhandlungen bestimmten den Handlungsbedarf. Die damit zusammenhängenden Probleme erfordern in den neunziger Jahren klare Konzepte zur Sicherung einer flächendeckenden bäuerlichen Landwirtschaft, für die Reform des Agrar-handels und die Neuausrichtung der Förderung.
Die von der EG mit Unterstützung der Schweiz und Österreich erreichte Weiterbehandlung offener GATT-Fragen ermöglicht ein Überdenken bisheriger Vorstellungen und berechtigt zur Hoffnung, 1991 ein besseres Ergebnis zu erzielen, als Anfang Dezember der großen Ministerrunde in Brüssel vorlag.
Europa ist nicht Nordamerika, dies mußten die US-Vertreter nach oft zermürbenden Diskussionen zur Kenntnis nehmen. Auf dem Weg in ein neues Jahrzehnt gilt es, rasch notwendige Reformen zu verwirklichen.
Trotz harter Verhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung zwischen SPÖ und ÖVP erwies sich - wie zu erwarten - die Agrarpolitik nicht als wirklicher Stolperstein. In der kommenden Legislaturperiode werden mehr öffentliche Mittel für die Fortsetzung bewährter und die Dotierung neuer Maßnahmen zur Verfügung stehen. Die geforderte „zusätzliche Agrar-milliarde" wurde fast Realität.
Es gibt aber trotzdem kein allgemein gültiges Patentrezept zur Lösung der Markt- und Einkommensprobleme in der Landwirtschaft - nicht in Österreich, schon gar nicht in der EG. Die längst überfällige Neuordnung des Weltagrarmarktes und der damit vertagte Abschluß der GATT-Verhandlungen dokumentieren das Agrar-dilemma; die subventionierte Unvernunft und Ressourcenzerstörung ist augenscheinlich.
Agrarpolitik für die Zukunft muß mehr sein als Bauernbundf orderungen zu erfüllen, Landwirtschaftskammern in Frage zu stellen, Genossenschaften zu kritisieren oder Vorschläge der bäuerlichen Zwergorganisationen von SPÖ und FPÖ zu negieren.
Agrarpolitik als integrale Konzeption für den ländlichen Raum, also für die Regionen außerhalb der Städte, könnte auch erfolgreichen Ansätzen für Reformen in der Bil-dungs-, Arbeitsmarkt-, Umwelt-, Verkehrs- und Steuerpolitik leichter zum Durchbruch verhelfen. An ihnen werden die Regierungen der neunziger Jahre gemessen.