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Klammer der Weltwirtschaft

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Die gesamte Arbeit des GATT steht auf zwei gedanklichen Pfeilern: Multi-lateralität und Nichtdiskriminierung. Demnach strebt es nach Abkommen, die nicht nur zwischen je zwei Staaten abgeschlossen, sondern nach Gesamt regelungen, die gleichzeitig durch eine Gruppe von Staaten ausgehandelt werden. Erst hierdurch wird es nämlich möglich, die Einzel-bestrebungen eines jeden Mitgliedstaates in ein Bündel zusammenzufassen, das den maximalen Nutzeffekt für den gesamten Welthandel erzielt, auch wenn der eine oder andere Staat Abstriche an seinen Zielsetzungen vornehmen jnuß.

Dem gleichen Ziel dient die Regel der Nichtdiskriminierung, laut welcher etwaige einschränkende Maßnahmen im Bereich des Außenhandels sich nie gegen einen bestimmten Staat wenden dürfen, sondern immer gleichlautend gegen alle GATT-Staaten anzuwenden sind. Das gleiche gilt für Erleichterungen, die neu eingeräumt werden. Hieraus folgt auch die Option des GATT für die universalen statt der regionalen Abkommen. Er anerkennt wohl die vier bestehenden Zusammenschlüsse (EWG, EFTA, südamerikanische und zentralamerikanische Zollunion), setzt aber auf die Karte einer baldigen und bedeutenden Ausgestaltung der EWG.

Die Hauptaufgabe des GATT, das zur Zeit seine Jahrestagung abhält, besteht darin, die Mitgliedstaaten zu Aussprachen zu veranlassen und für diese geeignete Arbeitsmethoden zu ersinnen. Diesen Rahmen müssen hernach die einzelnen Abordnungen mit Inhalt ausfüllen. Dies wurde im Verlauf der Jahre immer schwerer. Was an Zollkonzessionen gegenseitig gewährt werden konnte, wurde ziemlich restlos erschöpft, gegen weitere Zusagen hätten sich überall parlamentarische Kräfte gestemmt. Das GATT hat daher einen Ausschuß eingesetzt, um an Stelle der bisherigen Verhandlungsmethode „product for product“ eine neue, die „lineare“, auszuarbeiten. Man würde dann nicht mehr über „Schuhbänder gegen Kämme aus Kunststoff“ sprechen, sondern über die gleichzeitige Ermäßigung aller Zollsätze um den gleichen Prozentsatz (außer für Produkte der Landwirtschaft) in allen an der Konferenz teilnehmenden Ländern. Das neue amerikanische Handelsgesetz hat das bisher bestandene Veto gegen diese Methode aufgehoben, so daß sich Aussichten auf weitere Zollermäßigungen eröffnen. Hier sehen wir an einem Beispiel, warum breite Wirtschaftskreise dem GATT ungerechterweise keine Bedeutung beimessen.

Schon vor Jahren drang beim GATT die Überzeugung durch, daß man bei der Organisierung des internationalen Handels die Sparte der Agrarprodukte nicht über den gleichen Kamm scheren kann, den man für die Erzeugnisse der Industrie anwendet. Einen konkreten Vorschlag brachte beim Ministertreffen vom Jahre 1961 die Rede des französischen Wirtschaftsministers Baumgartner. Demnach sollte man an Stelle der recht komplizierten Preisangleichungsmaßnahmen (vorerst für den Weizen) eine neue Doktrin setzen. Nicht der niedrige Weltmarktpreis soll an der Zollgrenze aufgeschleust werden, damit er die inländische Weizenerzeugung nicht erdrückt, sondern die Exportländer sollen — allerdings für begrenzte Mengen — einen höheren, der Kostenlage in den Importländern angepaßten Preis verlangen. Dadurch erhielten sie zumindest den gleichen Devisenerlös (höhere Preise für vielleicht geringere Mengen) und könnten an Hand von konkreten Zahlen ihre Erzeugung den tatsächlichen Absatzmöglichkeiten anpassen. Diese Anregung wird vorerst nur die Grundlage für weitere Beratungen beim GATT bieten, sicher würde aber eine Verständigung günstige Rückwirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen den atlantischen und den überseeischen Rohstoffländern zeitigen. Ob ein solches System für alle Agrar- und auch für Bergwerksprodukte anwendbar wäre, ist noch eine offene Frage. Ebensowenig gibt es beim GATT vorerst klare Vorstellungen über die Erleichterung der Einfuhr von Industrieerzeugnissen aus den Ländern mit niedrigen Löhnen in die atlantischen Länder.

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