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Geld allein macht die Bauern nicht glücklich

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Vor dreißig Jahren waren noch rund 21 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, heute sind es nur mehr sechs Prozent. Was erwartet die Bauern in der Europäischen Union?

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Vor dreißig Jahren waren noch rund 21 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, heute sind es nur mehr sechs Prozent. Was erwartet die Bauern in der Europäischen Union?

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Gleichgültig, ob Österreich letztlich der Europäischen Union beitritt oder nicht - die heimische Landwirtschaft wird in den nächsten Jaliren tiefgreifende Umstellungen über sich ergehen lassen müssen. Denn der Abschluß der sogenannten „Uruguay-Runde" des GATT, des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommens (siehe FUKCHE 17/1994 und 51/52/1993), bewirkt eine schrittweise Öffnung der bislang extrem abgeschotteten Agrar-märkte: sämtliche Grenzschutzmaßnahmen werden in Tarife (Zölle) umgewandelt, die wiederum bis zum Jahr 2001 um durchschnittlich 36 Prozent, mindestens aber 15 Prozent je Produkt gesenkt werden müssen. Weiters wurde ein Mindest-Markt-zutritt verankert; mengenmäßige Schutzklauseln über Zollerhöhungen sind lediglich unter gewissen Bedingungen befristet möglich; innere Stützungen sollen ebenso reduziert werden wie Exportsubventionen.

Die Schweizer Agrarpolitikerin Heidi Bravo-Baumann schätzt die

Auswirkungen des GATT auf die -der österreichischen durchaus vergleichbaren - eidgenössische Landwirtschaft so ein: „Es bleibt unbestritten, daß die im Agrardossier geforderten Maßnahmen in den Bereichen Abbau der inneren Stützung, Abbau der Exportsubventionen und Verbesserung des Marktzutritts massive negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben werden."

Der Abbau der Exportsubventionen gemäß GATT würde auf jeden Fall sinkende Preise und geringere Exportmengen bewirken - im Falle eines EU-Beitritts wären jedoch die anderen EU-Staaten nicht mehr „Ausland", die GAIT-Spielregeln kämen also nicht zur Anwendung.

Im Falle des Nicht-Beitritts zur EU müßte zudem die öffentliche Hand, also letztlich die Steuerzahler, alleine die durch das GATT verursachten Einkommensverluste der Bauern abfangen.

Im Falle eines EU-Beitritts käme ein Teil der Geldmittel aus Brüssel (die freilich letztlich aus den Beiträgen der Mitgliedsstaaten stammen). Die Beitrittsverhandlungen mit der EU brachten diesbezüglich folgende Ergebnisse: die jährliche Agrarförde-rung über die EU-Marktordnung für Österreichs Bauern beträgt rund 8,9 Milliarden Schilling jährlich; dazu kommen noch in den ersten vier Jahren nach dem Beitritt 21,7 Milliarden Schilling für Struktur-, Regional- und Umwtiltförderungen. Aus österreichischen Geldtöpfen (Bund und Länder) kommen zusätzliche 21,7 Milliarden Schilling von 1995 bis 1998 aus dem „Solidarpakt"; weitere 6,5 Milliarden Schilling ersparen sich die Bauern aus dem Wegfall der Düngemittelabgabe und von Verwertungsbeiträgen.

Der Großteil dieser Maßnahmen dient dem Ausgleich der Anpassung der Agrarpreise auf das wesentlich niedrigere EU-Niveau, die schlagartig mit dem Tag des Beitritts wirksam würde.

Genau darin liegt jedoch die Unwägbarkeit der Folgen eines EU-Beitritts für die Bauern: auch mit den Förder-Milliarden aus Brüssel und aus den österreichischen (Steu-er-)Töpfen wird letztlich entscheidend sein, ob sich die heimischen Landwirte und die Nahrungsmittelindustrie im offenen EU-Markt durchsetzen können. Österreich könnte der „Feinkostladen Europas" werden, wünscht sich Landwirtschaftsminister Franz Fischler; Beitrittsgegner argumentieren, daß diese Werbelinie angesichts der übermächtigen Konkurrenz durch alteingesessene Spezialitäten - vom Käse aus Frankreich über die Salami aus Italien bis zur butter aus Dänemark - ein Wunschtraum bleiben wird.

Die Antwort auf diese Fragen geben - im Falle des Beitritts - die Konsumenten, in Österreich wie in den anderen Mitgliedsstaaten: denn die entscheidende „Volksabstimmung" für die heimischen Bauern und ihre Produkte erfolgt erst an den Regalen der Supermärkte.

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