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Ihr Frausein setzt den Sportlerinnen Grenzen

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Ballettänzerinnen und Gymnastik-Mädchen behindern bewußt die Ausbildung weiblicher Körperformen, Leistungssportlerinnen manipulieren ihren Zyklus und erhöhen ihre Muskelkraft durch Einnahme männlicher Sexualhormone - und das alles „freiwillig“!

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Ballettänzerinnen und Gymnastik-Mädchen behindern bewußt die Ausbildung weiblicher Körperformen, Leistungssportlerinnen manipulieren ihren Zyklus und erhöhen ihre Muskelkraft durch Einnahme männlicher Sexualhormone - und das alles „freiwillig“!

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FURCHE: Gibt es für sportliche Spitzenleistungenunterschiedliche körperliche Voraussetzungen bei Frauen und Männern? Welche Nachteile, welche Vorteile haben Frauen?

PROFESSOR NORBERT BACHL: Die gibt es eindeutig; unterlegen ist die Frau vor allem bezüglich der Herzgröße, also der Transportkapazität des Sauerstoffes, bezüglich der Muskulatur, für die der Stimulus der männlichen Geschlechtshormone nicht in dem selben Maß vorhanden ist wie beim Mann. Andererseits ist die Frau bevorzugt, was Flexibilität betrifft, etwa beim Turnen oder bei der rhythmischen Gymnastik, wo die Frauen höhere Beweglichkeit erreichen - in vielen Gelenken ist die Frau beweglicher als der Mann. Auch in der Koordination hat die Frau - zumindest nach Meinung vieler - einen Vorteil.

FURCHE: Gibt es für Frauen vorteilhaftere und weniger vorteilhafte Sportarten? Sie haben ja schon das Beispiel des Turnens genannt.

BACHL: Die Disziplinen, in denen die Kraft eine primäre Rolle spielt, sind für die Frauen - auf Grund der muskulären Voraussetzungen - weniger geeignet. Auch alle leichtathletischen Schwerathletikdisziplinen sind - auch von den Auswüchsen der Anabolika Verwendung her - für Frauen problematisch. Das Turnen und die rhythmische Gymnastik, die schön anzusehen sind, sind für die „Frauen“, das heißt eigentlich für diese Kinder, fast mit Kinderarbeit gleichzusetzen, was die Anzahl der Trainingsstunden und die psychische Belastung betrifft.

FURCHE: Außerdem werden diese Überforderungen unausge-reiften Körpern zugemutet und schädigen Kinder, die im Wachstum sind.

BACHL: In den letzten fünfzehn Jahren hat es im Frauensport enorme Leistungssteigerungen gegeben, von den Frauen selbst wird immer stärker nicht nur der Wettbewerb mit anderen Frauen, sondern auch mit den Männern forciert, immer differenziertere Trainingsprogramme werden entwickelt, immer ausgefeiltere Leistungssteigerungen werden vorgegeben. Nicht zuletzt ist die Verwendung der Anabolika, also der hormonellen Leistungs-steigerer als Dopingmittel auf diese Entwicklung zurückzuführen.

FURCHE: Welche Ursachen hat diese Entwicklung im Frauensport?

BACHL: Die Ursachen liegen in der gesellschaftlichen Entwicklung, in der Emanzipation der Frauen. Wettkampf und Leistungsvergleich werden von den Frauen selbst gefordert. In den meisten Disziplinen, auf nationaler und internationaler Ebene ist die Einbeziehung von Sportmedizinern gegeben., ihre Ratschläge müßten allerdings mehr berücksichtigt werden.

FURCHE: Sollten nicht, wo dies nicht geschieht, die Sportler(innen) von sich aus deren Einbeziehung verlangen?

BACHL: Was die Einnahme von Anabolika betrifft, ist entsprechend internationalen Vereinbarungen bei Wettkämpfen eine Dopingkontrolle vorgeschrieben. In Zukunft sollen sie jetzt auch zumindest stichprobenartig beim Training erfolgen. Lückenlose Trainingskontrollen sind aber derzeit viel zu aufwendig an Zeit und Geld.

FURCHE: Wie häufig machen Frauen von der Möglichkeit von Zyklusverschiebungen für bessere Wettbewerbsleistungen Gebrauch? Welche Auswirkungen hat das?

BACHL: Da der Leistungsabfall bei manchen Frauen in der Phase vor Menstruationsbeginn, bei manchen auch während der Menstruation stärker auftritt, müssen Versuche der Zyklusverschiebung von Frau zu Frau verschieden geplant werden, meist bespricht die Sportlerin dies direkt mit ihrem Gynäkologen. Sicher spielt die subjektive Einstellung zu Zyklus und Menstruation, wie sehr die Frau ihn als „Krankheit“ erlebt, dabei eine Rolle.

FURCHE: Gibt es für Sportlerinnen Schwierigkeiten, später wieder zu einem normalen Zyklus zu kommen? Ist es richtig, daß Spitzensportlerinnen durch die intensive Sportausübung bedingt, erst später als andere ihren ersten

Menstruationszyklus haben?

BACHL: Meines Wissens machen nur einige Spitzensportlerinnen von der Möglichkeit der Zyklusver-schieb'ung Gebrauch, Folgeprobleme gibt es daher meines Wissens später nicht. Es stimmt, daß die physische und psychische Beanspruchung eines Hochleistungstrainings bei jungen Mädchen den ersten Zyklus verschiebt.

FURCHE: Gibt es Hinweise auf die Auswirkungen auf den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt bei Frauen, die vorher Spitzensportlerinnen waren?

BACHL: Für den normalen Verlauf von Schwangerschaft und Geburt ist körperliche Durchtrainiertheit eine gute Voraussetzung. Entgegen früheren Meinungen neigt man heute dazu, auch für den Geburtsvorgang bei Hochleistungsportlerinnen darin keinen Nachteil zu sehen. Selbstverständlich muß ab dem Bekanntwerden der Schwangerschaft das Training eingeschränkt werden, die Teilnahme an Wettbewerben ist natürlich nicht mehr ratsam.

FURCHE: Wie kann sich die Einnahme von Anabolika auf Schwangerschaft und Geburt auswirken? Es gibt beispielsweise Schwimmerinnen aus der DDR, die da einen Zusammenhang mit ihren behindert auf die Welt gekommenen Kindern sehen?

BACHL: Aus Zeitungsberichten einen allgemein gültigen Zusammenhang nachweisen zu wollen, wäre unkorrekt Es scheint fraglich, ob nicht in diesem Fall auch ohne die Einnahme von Anabolika die Kinder dieser Sportlerinnen behindert gewesen wären. Schließlich entscheiden die Sportlerinnen letztendlich selbst, ob sie solche hormonellen Leis-tungssteigerer einnehmen oder nicht, obwohl sie streng untersagt sind. Bevor Kontrollen nach den Wettkämpfen Vorschrift waren, ge-schah die Einnahme hemmungsloser, die Auswirkungen waren nicht zuletzt am „vermänn-lichten“ Äußeren mancher Spitzensportlerinnen, etwa gerade aus den Staaten des Ostblocks, zu sehen.

FURCHE: Wie ist das mit den sogenannten „Sex-Tests“?

BACHL: Da hat es in Österreich einen sehr bekannten Fall gegeben (Anm. d. R.; nämlich Erika Schin-egger), bei der im Test ein Überwiegen der männlichen Chromosomen diagnostiziert wurde. Solche Testergebnisse bedeuten schwere körperliche und seelische Krisen für die Betroffenen.

FURCHE: Ist es denkbar, daß in Zukunft Sportarten, die eher für Frauen geeignet sind, mehr gefördert werden?

BACHL: Die „Förderung“ bestimmter Sportarten geschieht durch die Medien! Längst haben die Fernsehübertragungen von Wettkämpfen diesen Wettkämpfen selbst ihren Stempel aufgedrückt, Schnelligkeit, spektakuläre Zweikämpfe werden von den Zuschauern gewünscht. Wenn man die Abfahrtsläufe der Schifahrer vor fünfzehn oder zwanzig Jahren mit denen von heute vergleicht, wenn man an die Fernsehübertragungen der Autorennen denkt... Auch im Turnen wurden beispielsweise Übungen aus Gründen der Telege-nität ins Wettbewerbsprogramm aufgenommen.

Spitzensportler(innen) sind vom persönlichen Ehrgeiz getrieben, wollen Ruhm und Ansehen, Macht und auch Geld. Für Athleten aus den Ostblock-Staaten stehen die Existenzsicherung, Privilegien wie Auslandsreisen und so weiter auf dem Spiel.

Daß sie dafür ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, ist ihre Verantwortung.

Mit dem Professor für Sportmedizin am Wiener Univcrsitäts-Sportzentrum Schmelz sprach Leonore Rambosek.

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