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Im Feuerkreis

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Hans Lebert war Wagner-Sänger. Er haßte das Nazireich, liebt die Welt Wagners noch immer und lebt auch heute noch außerhalb der Großstadt. Das muß für diejenigen Leser vorausgeschickt werden, die daran Anstoß nehmen sollten, daß in des Dichters neuem Roman „Der Feuerkreis“ eine realistisch gesehene, dörflich-kleinstädtische Welt von einer mythischen durchdrungen wird.

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Hans Lebert war Wagner-Sänger. Er haßte das Nazireich, liebt die Welt Wagners noch immer und lebt auch heute noch außerhalb der Großstadt. Das muß für diejenigen Leser vorausgeschickt werden, die daran Anstoß nehmen sollten, daß in des Dichters neuem Roman „Der Feuerkreis“ eine realistisch gesehene, dörflich-kleinstädtische Welt von einer mythischen durchdrungen wird.

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Man weiß, daß Lebert Staatspreisträger ist und auch sonst mehrfach ausgezeichnet wurde. Seinem verhältnismäßig 'schmalen Werk blieb der Publikumserfolig bisher trotzdem versagt. 1919 in Wien als Sohn eines Fabrikanten geboren, veröffentlichte Lebert Literarisches erst seit den frühen Nachkriegsjahren.

Vor dem „Feuerkreis“ sind Dramen, Lyrik, Erzählungen und der meisterliche Roman „Die Wolfshaut“ erschienen. Dieser erzählt die Geschichte einer Schuld, mit der die Bewohner eines österreichischen Dorfes sich während des Krieges beluden und die ungesühnt blieb.

Beim „Feuerkreis“, im Salzburger Residenz-Verlag erschienen, hat man es mit einem Roman der Sühne zu tun. Der Mythos rückt näher an die Handlung heran, wird Gleichnis des gesamten realen Geschehens, je förmlich eins mit ihm.

Es wird das Jahr 1947 geschrieben Odins Raben, die Totenvögel, flieger dem Captain Gottfried Jerschek voran, einem österreichischen Offizier, der Hitler nicht dienen wollt und den Krieg auf Seiten der Alliierten mitmachte. Jerscheks Halbschwester Hilde Brunner (Brünhild) wohnt in dem Haus von ihrer und Jerscheks Mutter auf einer Anhöhe jenseits des Semmerings in der englischen Besatzungszone. Hilde, einst BdM-Füh-rerin, dann Aufseherin in einem KZ, hat zwei Morde begangen. Der Lagerleiter Hindier, jetzt Geschäftsmann in Graz, ist ihr Freund und auf eben jener Anhöhe in der englischen Be-satzungszone spielt die Tragödie, die mit dem Tod von Hilde und Hindier und dem Niederbrennen des Hauses durch Captain Gottfried Jerschek endet.

Lebert schildert einen Ausschnitt der Welt, den er kennt. Er schildert ihn von jener 'mythischen Position aus, an der er immer noch hängt und in deren Namen, zu Jerscheks grenzenlosem Entsetzen, so viele Verbrechen begangen worden sind.

Das wird man gelten lassen müssen, ebenso wie den von marxistischer Seite bemängelten Umstand, daß die Beziehungen des Nazitums zum Großkapital (die zweifellos bestanden haben) in diesem Buch nicht behandelt werden.

Lebert hat keinen politischen Traktat, sondern eine Dichtung geschrieben, wobei er von Beobachtungen ausging, die er unmittelbar machte. Krupp, Thyssen und Flick — soviel Freiheit wird man dem Dichter lassen müssen — gehören nun einmal nicht zum „Feuerkreis“-Personal.

Dies ist das Buch eines Patrioten. Es drückt sich auch nicht um ein so unbequemes Faktum wie das Fortleben des Nazitums in gewissen Gehirnen herum. „Sieh dich vor in diesem Labyrinth, das Heimat heißt! In seinen Gängen fault das Aas des Minötaurus. Gib acht, mein Freund, daß du in seinem Gestank nicht erstickst“, denkt der heimgekehrte Gottfried Jerschek. Der Epilog des Romans rührt an die Boroda jkewycz-Affäre.

Man mag die Gefahr des Neonazismus so hoch oder so nieder einschätzen wie man will; großartig bleibt die Kraft von Leberts Buch, das ja im Grund ein historischer Roman ist. Großartig wie die Wut, die in ihm lebt, und der Humor, welcher in ihm zuweilen an den Tag tritt, ist auch der im „Feuerkreis“ entwickelte Sinn für Gerechtigkeit. Lebert läßt seine Heldin sagen: „Ich glaube an irgendeine geheimnisvolle Vergeltung. Ich glaube, daß zurückgeschlagen wird. Und daß es gewisse Vorzeichen und Warnungen gibt.“ Zur Entsühnung will sie schließlich sich selber als „Menschenopfer“ darbringen.

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