6961427-1984_49_11.jpg
Digital In Arbeit

Immer loyal

Werbung
Werbung
Werbung

Seit Jahren war er mit dem Tod vertraut. Er stand auf mit ihm und legte sich mit ihm nieder, er lebte mit ihm und arbeitete mit ihm. Nun hat der Tod ihm ans Herz gegriffen. Erzbischof Franz Jachym, Koadjutor sedi datus des Erzbischöflichen Stuhles von Wien, ist am 29. November plötzlich, aber nicht überraschend, gestorben.

Franz Jachym war ein Priester aus Wien, ein Kind der Wiener

Vorstadt, ein Waisenbub aus dem 10. Bezirk, wo er am 23. September 1910 geboren wurde. Die Barmherzigen Schwestern haben sich des Frühverwaisten angenommen, die gleichen Barmherzigen Schwestern, die dem Schwerkranken in den letzten Monaten Heimstatt boten. In Meidling besuchte er die Mittelschule, das Erzbischöfliche Knabenseminar in Hollabrunn wies den weiteren Weg: 1936 Priesterweihe, nach kurzer Kaplanstätigkeit Sekretär bei Kardinal Innitzer.

Seine theologischen Arbeiten lassen eine wissenschaftliche Karriere erwarten, da ernennt ihn Papst Pius XII. im Jänner 1950 zum Erzbischof-Koadjutor von Wien. Am 23. April sollte die Bischofsweihe sein. Sie findet nicht statt. Die Feier im Stephansdom wird unterbrochen. Der Weihekandidat erklärt plötzlich in lateinischer Sprache, er fühle sich für dieses Amt nicht würdig, verläßt den Dom und steigt in ein bereitstehendes Auto. Jachym hat sich über die Gründe seiner Weigerung nie geäußert. Ein verschlossener Akt im erzbischöflichen Archiv wird einmal Auskunft geben. Einige Wochen später wird er in Rom von Innitzer zum Bischof geweiht und tritt sein Amt in Wien an.

Nach dem Tode Innitzers bestellt Pius XII. nicht ihn, sondern den St. Pöltner Weihbischof Franz König zum Erzbischof von Wien. Wenn Jachym dies als eine Zurücksetzung empfunden hat, so hat er es seinen neuen Bischof nie spüren lassen. König hatte in Wien nicht nur Freunde vorgefunden, aber auf eines konnte er zählen, auf die Loyalität seines Koadjutors Franz Jachym. Beide, König und Jachym, sind Männer, die ihr Herz nicht auf der Zunge tragen, beide aber standen in schwierigsten Stunden zueinander.

Zu den vielen Agenden Ja-chyms zählte auch das Bauamt. Er war verantwortlich für die vielen Kirchenbauten. Man mag über die künstlerische Qualität mancher dieser Kirchen verschiedener Meinung sein, immerhin war es die Kirche, die jungen Architekten die Möglichkeit gab, ihre Ideen zu verwirklichen. Mit der kirchlichen Aufbauanleihe, die er initiierte, hat er einen einmaligen neuen Weg zur Finanzierung des kirchlichen Bauwesens beschritten.

Franz Jachym war ein Priester aus Wien, er war ein Kind der Wiener Arbeitervorstadt. Aber er war ein Wiener ganz anderer Art, keiner von den „Lauten", den „Gemütlichen", den „Feschen." Er war in seinem Inneren scheu und verletzlich. Er hat die Verletzlichkeit hinter manchem sarkastischen Wort verborgen. Jachym war ein Mann der Kirche. Gott hat ihm viel Uberwindung abverlangt. Er wird ihm seine Treue lohnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung