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DR. FRANZ JACHYM / DER KOADJUTO

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Ein Koadjutor kann vieles sein. So wie es juristisch verschiedene Formen eines Ko-adjutors gibt, so gibt es auch verschiedene Möglichkeiten, diese Funktion auszuführen. Franz Jachym, der Erzbischof-Koadjutor von Wien, der soeben sein 50. Lebensjahr vollendete, hat zwar nicht juristisch, aber praktisch alle Möglichkeiten, die dieses Amt zu bieten vermag, durchlebt. Er hat sie alle mit gleicher Gelassenheit und mit gleicher Würde getragen. Er hat sich keiner Aufgabe versagt, er hat sich in jeder ganz eingesetzt, als er sich zu dem Entschluß durchrang, die Würde und Bürde des Bischofsamtes, die er einmal in dramatischer Situation im Dom zu St. Stephan zurückwies, in Gehorsam und Demut zu tragen. Es wäre lächerlich und auch vollkommen falsch, annehmen zu wollen, daß der Name Jachym nur deswegen überall bekannt sei. Was ihn populär machte, war das, daß er den Mut zu persönlicher Überzeugung nicht nur an jenem Ostersonntag des Jahres 1950 bewies, sondern immer und überall. Das mag ihm nicht immer und überall Freunde eingetragen haben. Aber das Volk hat gewußt, daß dieser Bischof nicht nur dem kleinen Volk entstammt, sondern auch dessen Sprache spricht und seine Nöte versteht. In Favoriten, im 10. Bezirk, wurde Franz Jachym am 3. September 1910 als Kind eines Bäckergehilfen geboren. In der Vorstadt und mit den Kindern der Vorstadt wuchs er auf, bis ihm nach dem frühen Tod beider Eltern das Vincentinum und dann das Hollabrunner Knabenseminar zur zweiten Heimat wurde. 1936 zum Priester geweiht, holte sich Kardinal Innitzer den hochgewachsenen Kaplan aus Purkersdorf als Zeremoniär ins Palais. Nur ein halbes Jahr hatte er Zeit, sich einzuarbeiten, dann senkte sich die Nacht über Österreich. An der Seite des Kardinals erlebte er Drangsal und Schmach, den Sturm der Hitlerjugend auf das Palais, die Bespitzelungen und Belästigungen, aber auch die Beweise der unerschütterlichen Treue der Katholiken. Schon während des Krieges hatte er sich wissenschaftlichen Arbeiten zugewandt, und bald nach Kriegsende wurde er Privatdozent und später außerordentlicher Professor für Moraltheologie an der Wiener Universität. Am 23. Jänner 1950 ernannte ihn Pius XII. zum Koadjutor von Kardinal Innitzer und Titularerzbischof von Maronea. Fünf Jahre hindurch führte er gemeinsam mit dem alternden Kardinal die Regierung der Diözese. In diese Zeit fällt der österreichische Katholikentag nach dem Krieg, die große Besinnung der österreichischen Katholiken, die in dem Manifest der Mariazeller Studientagung des Katholikentages ihr Verhältnis zur Zeit, zum Staat und zur Gesellschaft neu formulierten. Es war eine in vielem mutige Vorwegnahme einer neuen Entwicklung. Die Kirche wollte nicht die Rolle eines „Nachtwächters einer absterbenden Gesellschaftsordnung“ spielen, wie dies Erzbischof Jachym bei einer Rede des Katholikentages formulierte. Es liegt nicht in seinem Wesen, nach schockierenden Formulierungen zu suchen, aber wo die Verhältnisse selbst schockieren, da zögerte Erzbischof Jachym nicht, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen. Auch dann, wenn sie nicht allen genehm sind.

Und nochmals trug Erzbischof Jachym die volle Last der Verantwortung, als ihn das Domkapitel nach dem Tode von Kardinal Innitzer zum Kapitelvikar erwählte. Und er hat menschliche Größe und Haltung gezeigt, als er seine Geschäfte dem neuernannten Oberhirten von Wien, Erzbischof König, übergab.

Die Großzügigkeit und Weitherzigkeit des Kardinals hat Dr. Jachym, den er sich bald nach seiner Ernennung als Koadjutor erbeten hatte, ein reiches Arbeitsfeld angewiesen. So lastet heute die Hauptsorge des Kirchenbaus in dieser sich so rasch verändernden Diözese auf seinen Schultern. Aber alles, was man einem Fünfzigjährigen sagen kann, bleibt doch nur fragmentisch. Zumal bei einem Priester, einem Bischof liegt die Fülle der Entwicklungsmöglichkeiten noch in den kommenden Jahrzehnten.

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