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Jüdische Lyrik aus Österreich

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Wer dächte je daran, Stefan Zweigs Gedichtbände als jüdische Lyrik einzustufen? Schlimmstenfalls ein Antisemit der dreißiger Jahre. Und nun am Ende des Jahrhunderts eine Anthologie „Jüdische Lyrik aus Österreich"? Wie doch die Aura der Namen deren Wesen zu verändern vermag!

Die Herausgeber Peter Daniel, Johannes Diethart und Herbert Kuhner hätten keinen besseren Untertitel für diese Sammlung von Gedichten finden können, in denen immer wieder die Dreizahl der Schicksalsmotive jüdischer Geschichte anklingen: Hiobs Hader mit Gott, wie etwa bei David Axmann, die Klage des vertriebenen und heimatlos gewordenen Ahasver und das Gottesbewußtsein als unverlierbare Zufluchtsstätte. Bei der Mehrzahl der Autoren steht das Ahasverische von Trauer und Wehmut, aber auch die panoramahafte Weite der Welterfahrung im Vordergrund.

„Glaub nicht an einen Ort/ Denn wo du heut dein Dach dir deckst/jagt man dich morgen fort" (Andre Heller). Das dritte Thema, das jüdische Volk als Künder eines Gottes, der, obwohl jeglicher Begriffsbestimmung unerreichbar, doch den Angelpunkt bildet, um die immer wieder aus den Fugen geratene Sinnenwelt sinnvoll einzurenken, also das metaphysische Gedicht ist mit drei Meisterstücken von Erwin Chargaff vertreten: „.. .Möven, ihr fürchterlichen Verfolger... atemlose Spione Gottes..."

Es ist den Herausgebern, vor allem aber Herbert Kuhner, dem Übersetzer dieser zweisprachigen Ausgabe (deutsch/englisch), zu danken, daß nun ein Buch vorliegt, das beweist, welcher Rang der zeitgenössischen jüdischen Literatur in Österreich zukommt, und daß sie an die großen Traditionen der Vergangenheit anzuschließen vermag.

WÄREN DIE WÄNDE ZWISCHEN UNS AUS GLAS. Jüdische Lyrik aus Österreich. Verlag Der Apfel, Wien 1992. 216 Seiten, öS 298,-.

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