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Neue Orgel für St Stephan

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Vor 650 Jahren wurde der Alber- tinische Chor von St. Stephan geweiht. Dies wurde von Kardinal Hans Hermann Groer und dem Wiener Dom- und Metropolitanka- pitel zum Anlaß genommen, die momentan unbefriedigende Orgel- situation durch den Neubau einer Orgel im Friedrichsschiff zu lösen.

Seit dem 14. Jahrhundert sind Orgeln in St. Stephan nachweis- bar, wobei als Aufstellungsorte bei- spielsweise der gotische Orgelfuß, der Füchselbaldachin, die Western- pore und eine Musikempore im vorderen Bereich dienten.

Wie Schallmessungen und auch Gehörproben mit zwei Bläseren- sembles erbrachten, ist eine Be- schallung quer zur Längsachse des Domes gut möglich, während Schallerregungen in Richtung der Längsachse den Raum akustisch nicht zu bewältigen vermögen. Dies ist ein Grund dafür, daß von den Orgeln auf der Westempore ledig- lich die 1896 von Eberhard Fried- rich Walcker erbaute „Riesenor- gel", die beim Brand des Domes 1945 zerstört wurde, befriedigen konnte. Dabei wurde auch dieses Instrument, an der Brüstung situ- iert, hauptsächlich für feierliches Plenospiel am Beginn und am Schluß des Gottesdienstes einge- setzt, während für die Begleitung der Dommusik die Orgel auf der vorderen, ebenfalls 1945 vernich- teten Musikempore Verwendung fand.

Die nicht beachteten Warnungen so namhafter Orgelfachleute wie Egon Krauss und Anton Heiller vor der Auftragsvergabe für den Bau der jetzigen Westemporenorgel bestätigten sich leider voll, wie mar. ab der Weihe des Instruments 1960 feststellen mußte: das große Instru- ment, mit 125 Registern scheinbar groß genug konzipiert, vermag den Dom akustisch nicht zu füllen. Auch die Dommusik bedurfte einer Ver- stärkeranlage, damit sie von der Westempore aus ihre Aufgabe er- füllen konnte.

So war es richtig, daß vor einigen Jahren der Entschluß gefaßt wur- de, der Dommusik einen anderen Aufstellungsort im vorderen Be- reich des Domes zuzuweisen, eine Maßnahme, die sich in musikali- scher und liturgischer Hinsicht bestens bewährt hat. Durch diese Aufstellungsänderung verfügt nun allerdings die Dommusik über kein Instrument, das in der Lage wäre, sowohl die Begleitung des Gemein- degesanges wie auch des Chores zu ' übernehmen.

Die Chororgel, als Provisorium nach dem Krieg errichtet, befindet sich in so schlechtem Zustand, daß ein präzises Spiel nicht mehr mög- lich ist, zudem ist sie zu weit vom Chor entfernt, als daß ein gemein- sames Musizieren ermöglicht wird. Für die Gemeindegesangsbeglei- tung weist sie wieder zu wenig Stim- men auf.

Literaturspiel ist auf beiden Or- geln nicht mehr in zufriedenstel- lendem Maße möglich, wegen des schlechten Zustandes der Orgel weigerte sich im Vorjahr ein nam- hafter Organist, ein zugesagtes Orgelkonzert zu spielen. Da eine Reparatur aus wirtschaftlichen wie musikalischen Erwägungen nicht verantwortbar war - die eingehol- ten Fachgutachten belegten dies eindeutig - entschloß man sich, anläßlich des Domjubiläums die Orgelmisere endgültig zu lösen.

Entsprechend der hohen künstle- rischen Qualität und der großen räumlichen Ausdehnung von St. Stephan kann dieses Instrument eine gewisse Größe nicht unter- schreiten, wenn es alle gestellten Anforderungen in künstlerisch adäquater Weise erfüllen soll. Be- sonderes Augenmerk wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundes- denkmalamt darauf gelegt, daß das Instrument sich auch optisch gut in den Raum einfügt.

Nach langwierigen Verhandlun- gen wurde im Jänner 1989 die neue Orgel bei der Firma Rieger (Vorarl- berg) bestellt. Inklusive aller Ne- benarbeiten und Abgaben wird sie 13 Millionen Schilling kosten. Ein auf dem vorgesehenen Standort plaziertes l:20-Maßstabsmodell zeigt die vorgesehene Gestaltung, wobei die endgültige Form der Gesimse, der Schleierbretter sowie die Fassung des Gehäuses noch definitiv festzulegen sind. Im Sep- tember 1991 soll die neue Orgel feierlich ihrer Bestimmung überge- ben werden.

Der Autor ist Leiter des Referats für Kirchen- musik der Erzdiözese Wien.

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