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Schule des Sozialismus

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Die Genossenschaftsbewegung in den Ländern des „realen Sozialismus“ ist eine prinzipiell von oben verordnete Bewegung. Als Hauptmechanismen ihrer Entwicklung wird der Planungsmechanismus in seiner direktivadministrativen Form angesehen. Die Ausdehnung auf bestimmten Gebieten und seine Stagnierung auf anderen werden vom staatlichen Wirtschaftsapparat bestimmt.

Am Anfang der sozialistischen Genossenschaftsbewegung stand der Genossenschaftsplan von Lenin. Dieser ging davon aus, daß der reibungsloseste Weg der Bauernschaft von der einzelwirtschaftlichen Tätigkeit zu den großen gesellschaftlichen Produktionsvereinigungen durch die Genossenschaft führt (Stufenprinzip), wodurch auch die Kleinbauern sich an dem Aufbau des Sozialismus beteiligen könnten.

Die Erfahrungen zeigten bald, daß diese Organisationen nicht nur Mittel des Ubergangs waren, sondern auch unter den Bedingungen der entwickelten sozialistischen Gesellschaft gut anwendbar sind. Sie werden heute als Gebilde angesehen, deren Existenz „objektiv notwendig“ ist.

Die Genossenschaften sind dazu geeignet, bestimmte Leistungsanreize in Gang zu setzen, die in dieser Form mit Hilfe staatlichen Eigentums nicht aktiviert werden können. Das Gefühl, Miteigentümer zu sein, sollte unter den Genossenschaftsmitgliedern stärker ausgeprägt sein als bei den Beschäftigten in volkseigenen Betrieben, und damit einen besonderen persönlichen Einsatz erbringen.

Es existieren bestimmte Bereiche innerhalb der sozialistischen Volkswirtschaft, die sich einer zentralen Determination entziehen. Dies betrifft vor allem die Entscheidungen privater Haushalte hinsichtlich der Wahl des Arbeitsplatzes sowie des Kaufs von Konsumgütern, aber auch Entscheidungen unter Warenproduzenten. Hier sollten Genossenschaften die zentralen und dezentralen Entscheidungsbereiche in der gewünschten Weise aneinanderkoppeln. Sie haben die Aufgabe, Gruppen der Bevölkerung, die nur schwer zu erreichen sind (zum Beispiel Frauen in ihrer Rolle als Käufer), in den gesellschaftlichen Kommunikations- und Erziehungsprozeß zu integrieren.

Die Konsequenzen der bisherigen Entwicklung:

• eine Genossenschaftsbewegung ist von oben verordnet und gegen den Willen des Staates faktisch unmöglich;

• die Ziele der Genossenschaften werden auf eine Erfüllung der Aufgaben des Zentralplanes reduziert;

• die Manager sind faktisch dem Partei- und Staatsapparat verantwortlich und nicht ihren Mitgliedern;

• genossenschaftliche Demokratie wird nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck, als Entfaltung der sozialistischen Persönlichkeit beschrieben. Sie ist aber tatsächlich nur auf marginale Verbesserungsvorschläge zur Erhöhung der technischen oder ökonomischen Effizienz beschränkt;

• Genossenschaften dienen als Schule des Sozialismus (sozialistisch-erzieherisches Element).

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