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Armenische Kirchenmusik

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Dem Kenner der Kulturgeschichte sind die Bindungen zwischen Morgen- und Abendland geläufig. Wien darf sich rühmen, in seinen Mauern eine lebendige Tradition solcher Beziehungen sein eigen zu nennen: die Merhitaristenkongregation der Armenier oder, wie das Volk sie nennt, die Altglauber. Zum 250jährigen Bestehen dieser Kongregation wurde zum feierlichen, von Generalabt Erzbisrhof Habozian zelebrierten Hochamt die ,,Miss« solemnis in ritu Arme n o“ von P. Arsenius Aidyn (gest. 1902) und Josef Böhm (gest. 1893) für vierstimmigen gemischten Chor, Orchester und Orgel, aufgeführt. Die Partitur erschien erst 1950 im Eigenverlag der Mechitaristen und kam, wie ein Vorwort des Herausgebers P. M. Srabian, ausführt, folgendermaßen zustande: Generalabt P. Aidyn wollte für feierliche Gelegenheiten die ihrem Wesen nach einstimmigen Gesänge des armenischen Hochamtes mit Instrumentalbegleitung versehen lassen. Zu diesem Zweck sang er sie J. Böhm vor, der die Melodien in unsere Notenschrift übertrug, vierstimmig harmonisierte und in-•trumentierte. Die bis jetzt ungedruckte Messe wurde außer vom Herausgeber auch von Hofrat Max Springer durchgesehen und in vorbildlicher Weise der Öffentlichkeit vorgelegt. Wie die Aufführung bewies, handelt es sich hier um ein ganz seltenes Beginnen: einstimmige orientalische (armeni-oche) Weisen wurden von abendländischer

Harmonie umgeben und mit Instrumentalbegleitung ausgeschmückt. Das Ergebnis des vorigen Jahrhunderts ist für uns, die wir schon viel mehr zur Exotik, zu orientalischer Musik gefunden haben, bemerkenswert: vor allem durch die an unser harmonisches Moll erinnernden Melodieschritte entsteht in der akkordltchen Ausdeutung eine romantisch anmutende Harmonik; wir spüren, daß sie schon fünfzig Jahre zurückliegt. Der Gegensatz zu den einstimmig vorgetragenen Meßgesängen verstärkt diesen Eindruck. Wie immer man sich aber zu diesem Werk stellt und selbst dann, wenn man der begründeten Meinung ist, daß ein Musiker unserer Zeit die Aufgabe vielleicht stilreiner lösen würde, bleibt bestehen, daß mit dieser Messe ein sichtbares und hörbares Zeichen gesetzt wurde für lebendige Zusammenhänge zwischen Orient und Okzident. Auch das gehört zur Musikstadt Wien, dem Tor nach dem Osten.

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