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Moderner als die Moderne

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RICARDA HUCH, Gesammelte Werke, Band Nr. 1—3, Herausgegeben und mit einem Vorwort von Wilhelm l'mrith, Verlag Kiepenheuer und Witsch. Köln, Berlin 1988

„Eine längst fällige Verpflichtung“ hört man oft und auch diesmal beim Erscheinen einer Gesamtausgabe. Wer es aber noch nicht gewußt haben sollte, erfährt es jetzt deutlich durch die ausgezeichnete Einleitung des bekannten Bonner Germanisten W. Emrich, welche Bedeutung der 1947 verstorbenen Schriftstellerin Ricarda Huch zukommt. Zu Unrecht ist ihr Werk vernachlässigt worden, ja vielen vielleicht ganz aus dem Bewußtsein geschwunden. Ihre Arbeiten zur deutschen Romantik, zu literarischen und ästhetischen Problemen greifen tief in die Problematik der Moderne ein. „Sie ist — trotz allem scheinbaren Konservatismus — insofern extrem modern, als sie unausgesetzt das Bewußtsein der Spannung zwischen Ideologie und Wahrheit wachhält und sich gegen fixierende Konstruktion und Patentlösung sperrt. Sie ist scheinbar unmodern, aber in Wahrheit moderner als die Moderne, insofern sie inmitten dieses völlig offenen, ideologisch nicht fixierten Horizontes erneut Maßstäbe absoluter Verbindlichkeit zu setzen wagt.“ Dieses Urteil des Herausgebers hindert ihn jedoch nicht, genaue Unterscheidungen zu

setzen, wo R. Huch im Überschwang der Gefühle in Kitsch absinkt und wo sie wirkliche Meisterschaft erreicht. Wo sie den Konflikten um die Bewußtwerdung des Geistes ausweicht, erliegt sie jenem, wo sie die Konflikte austrägt, nähert sie sich hier. Auch und gerade in der Kunst vermag man diese Problematik nicht zu umgehen. Emrich zieht die Parallelen zur antiken Tragödie, zur deutschen Klassik und Romantik bis in die Moderne, vor allem zu Kafka, dem er ja selbst eine große Arbeit gewidmet hat. Die Romane und Novellen R. Huchs exemplifizieren das Ringen um die Idee des Menschen im Bewußtwerden seines Geistes, genau wie das Leben der Dichterin selbst. Besonders wertvoll ist die Veröffentlichung des Briefwechsels mit dem Präsidenten der Preußischen Akademie zur Hitler-Zeit, dem R. Huch mit „beispiellosem Mut“ ihren Austritt aus der Akademie begründete. Wie ihre literarische Arbeit, so kann auch dieser Schritt den Modernen viel zu denken geben, Wie ihr selbst die Geschichte Lehrmeisterin war, so kann den Heutigen ihre Geschichte eine solche werden.

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