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Daniels Goldhagens neues Buch "Die Katholische Kirche und der Holocaust" ist eine Enttäuschung. Der Mann, der mit "Hitlers willige Vollstrecker" zum Debattenstar avanciert war, bringt nichts Neues, er zitiert nur aus jüngeren Büchern zum Thema Kirche und Holocaust. Dass er sich auch zweifelhafte Arbeiten wie John Cornwells Pius XII.-Biografie völlig kritiklos zu eigen macht, zeigt, dass es ihm in diesem Fall weniger um Fakten geht, als ums Moralisieren.

Sein originärer Beitrag beschränkt sich denn auch auf das, was er im Untertitel peinlich großspurig "Eine Untersuchung über Schuld und Sühne" nennt. Daniel Goldhagen hält die ohnehin nicht wahnsinnig schmeichelhafte Einschätzung, dass Pius XII. ein Feigling gewesen sei, für einen billigen Trick der Verteidiger des "schweigenden Papstes". Man wolle, so Goldhagen, damit nur verschleiern, dass Eugenio Pacelli in Wahrheit ein manifester Antisemit gewesen sei. Die These ist gewagt, nicht zuletzt, weil sie sich auf eine einzige Quelle, einen Brief Pacellis aus dem München der Räterepublik, stützt.

Wirklich bedauerlich ist, dass Goldhagen durch seine moralisierende Verstiegenheit kirchliche Abwehrreflexe provoziert, die einen kühlen Blick auf den brisanten - und korrekten - Kern seiner Analyse verwehren: dass nämlich die römisch-katholische Kirche noch immer nicht zugeben will, dass auch der Antisemitismus der Nationalsozialisten aus dem alten christlichen Antisemitismus gespeist wurde. Die vor vier Jahren in dem Dokument "Wir erinnern. Eine Reflexion über die Schoah" aufgestellte These, wonach die Wurzeln des NS-Antisemitismus "außerhalb des Christentums" lägen, ist schlicht und einfach falsch.

Das bedeutet nicht, dass Christen notwendigerweise Antisemiten sind. Allerdings lässt sich die Tatsache, dass der christliche Antisemitismus zu den geistigen Grundlagen des Holocaust gehört, nicht einfach durch den Hinweis wegwischen, dass ja auch zahlreiche Katholiken zu Opfern des NS-Wahnsinns geworden sind.

Der Autor ist stv. Chefredakteur der "Presse".

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