Alarmglocken für die Kirche

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Dieser neue Rekord kann nur eingeschworene Gegner der katholischen Kirche freuen: 44.359 österreichische Katholiken sind 1999 aus ihrer Kirche ausgetreten, sogar um 55 mehr als im "Katastrophenjahr" 1995, am ersten Höhepunkt der "Causa Groer".

Ganz sicher war auch der Rekord von 1999 "hausgemacht". Die Abberufung des Wiener Generalvikars Helmut Schüller und das Versanden von Kirchenvolks-Begehren und "Dialog für Österreich" lieferten Anlässe. In Vorarlberg, das diesmal die höchste Steigerung aufwies, erregte auch eine reformierte Kirchenbeitragsvorschreibung die Gemüter.

Seit 1990 der Laxenburger Demograph Wolfgang Lutz in einer Studie ein deutliches Schrumpfen des damals noch über 80 Prozent betragenden Anteils der Katholiken (bis zum Jahr 2045 je nach Szenario auf 66,2 beziehungsweise 31,6 oder sogar nur vier Prozent!) prognostizierte, konnte die Kirche diesen Trend nicht stoppen. Hinweise, dass die Kirche immer noch Sonntag für Sonntag fast eine Million Gläubige in ihren Gottesdiensten versammle, zu hohen Feiertagen sogar weit mehr, sind ein schwacher Trost.

Läuten bei Austritten von regelmäßig etwa 35.000 Personen pro Jahr und nach Konflikten sogar von so vielen wie 1995 oder 1999 nicht alle Alarmglocken? Sind die Ausgetretenen wirklich alle Ungläubige, "neue Heiden"? Oder geht die Kirche ihren verlorenen Schafen zu wenig nach? Natürlich hängt die Richtigkeit ihrer Botschaft nicht von der Zahl ihrer Anhänger ab, aber sehr wohl ihre Wirksamkeit als Heilszeichen in der Welt und ihre Chance, soziale und kulturelle Aktivitäten zu entfalten. Bekanntlich bedeuten 44.000 Katholiken weniger auch rund 44 Millionen Schilling Minus in der Kirchenkassa.

Ohne Überbrücken der vielfach vorhandenen Kluft zwischen Kirchenleitung (samt Zentrale in Rom) und engagierten Gläubigen wird dieser Trend weitergehen. Es ist höchste Zeit, innerhalb der Kirche ohne wechselseitige Schuldzuweisungen ein echtes neues Miteinander zu suchen. Macht besitzt die Kirche kaum mehr, und das ist gut so. Geht ihr aber zunehmend ihre gesellschaftliche Wirksamkeit verloren, wird es für alle - auch für die Nichtkatholiken in diesem Land - kälter.

E-Mail: h.boberski@styria.com

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