6720671-1965_11_08.jpg
Digital In Arbeit

Patriarchen und Kardinale

Werbung
Werbung
Werbung

Zum erstenmal in der Geschichte der katholischen Kirche hat eine relativ größere Anzahl von Kirchenfürsten des östlichen Ritus — richtiger: der östlichen Riten — gleichzeitig den Kardinalshut empfangen: mehrere Patriarchen und ein Großmetropolit. (Was ist das? Darüber später.) Also ist die erhoffte Einigung mit der Ostkirche schon so •weit gediehen — so hört man einige Ahnungslose fragen —, daß der höchste kirchliche Rang, den die katholische Kirche zu vergeben hat, die oberste kirchliche Würde nach dem Papste selbst, auch an Kirchenfürsten der Ostkirche verliehen wird? Es ist offensichtlich, daß diejenigen, die so fragen, es in der Meinung tun, die zur Kardinals-würde erhobenen Kirchenfürsten gehörten der Ostkirche an, von deren möglicher Wiedervereinigung und Versöhnung mit der katholischen Kirche jetzt oft die Rede ist. Daß dies nicht der Fall sein kann, ist wohl jedem halbwegs über diese Dinge Informierten klar. „Ostkirche“ und „Ostkirche“ kann nämlich jeweils etwas anderes bedeuten. Einmal nennt man „Ostkirche“ die von der katholischen Kirche getrennten Kirchen im Osten, die zwar das Bischofsamt, die Sakramente und im wesentlichen den Glauben mit der katholischen Kirche gemeinsam haben, aber den Primat des Papstes im katholischen Sinn niemals anerkennen.

„Ostkirche“ und „Ostkirche“

Anderseits rechnet man zur „Ostkirche“ oft auch die kirchlichen Gemeinschaften, die mit den getrennten östlichen Kirchen denselben Ritus haben, weil sie eben kirchliche Gemeinschaften des Ostens sind (denn regionale Verschiedenheiten im Ritus hat es schon zur Zeit der noch ungetrennten Kirche gegeben), die aber den Primat des römischen Stuhles, als des Stuhles des Nachfolgers des hl. Petyus,- anerkennen.

Diese mit Rom vereinigten Ostchristen, die man gelegentlich in den Begriff der „Ostkirche“ miteinbezieht, heißen deshalb, weil sie sich mit Rom wiedervereinigt haben, „Unierte“ oder mit einem von selten der getrennten Orientalen gebrauchten Ausdruck: „Uniaten“. Überdies nennt man aber zuweilen (in einem Zusammenhange, in dem es von vornherein klar ist, daß es sich nur um katholische Christen handelt) nur die Uniierten allein „Orientalen“ oder „Ostkirche“.

Das ist natürlich verwirrend, wenn man bedenkt, daß man anderseits gelegentlich mit dem Ausdruck „Orientalen“ und „Ostkirche“ nur die Ostchristen beziehungsweise die Ostkirchen bezeichnet, die 1054 die Gemeinschaft mit Rom gelöst haben, und daß man irisbesondere dann, wenn man von „der Ostkirche“ und ihrer eventuellen Wiedervereinigung mit Rom spricht, natürlich nur die von Rom getrennten Orientalen meinen kann. „Orthodoxe“ könnte man sie auch noch nennen, um das Gemeinte genauer zu umsehreiben. Aber abgesehen davon, daß die von Rom getrennten „orthodoxen“ Kirchen sich selbst euch als „katholisch“ oder „zur katholischen Kirche gehörig“ bezeichnen und wiederum die katholische Kirche — begreiflicherweise — nicht auf den Anspruch verzichten kann, selbst auch „orthodox“, das heißt, rechtgläubig zu sein (ist doch selbst im lateinischen Meßkanon von „Omnibus orthodoxis atque catholicae et apostolicae fidei cultoribus“ die Rede), so ist doch dieser Terminus auch insofern nicht ganz mit dem Begriff „getrennte Ostchristen“ (aus römisch-lateinischer Sicht) identisch. Es gibt nämlich Gruppen, :die sich schon früher von der Einheit der „Orthodoxie“ abgetrennt haben,, zu einer Zeit, als die Orthodoxie, das heißt die byzantinische Kirche, noch in Gemeinschaft mit Rom stand, und die daher gleichfalls als „getrennte Ostchristen“ zu bezeichnen sind, obwohl sie nicht „Orthodoxe“ genannt werden können. Noch dazu sind Teile von ihnen später wieder zur Gemeinschaft mit Rom zurückgekehrt, so daß wir Splittergruppen von ihnen auch wieder unter den „Unierten“ antreffen. Soweit es sich um „Griechen“ handelt, das heißt um Angehörige des byzantinischen Ritus, spricht man von Griechisch-Katholischen (den Unierten) und Griechisch-Orthodoxen (den Getrennten). Um aber nicht einseitig die Getrennten als die „Rechtgläubigen“ zu bezeichnen (denn das heißt ja orthodox) und sie doch nicht mit dem Ausdruck „Schismatiker“ zu verletzen, haben die österreichischen Behörden im 18. Jahrhundert den (im übrigen deutschen Sprachgebiet selten richtig verstandenen) Ausdruck: griechisch-orientalisch geschaffen (in Anlehnung an die Selbstbezeichnung der orthodoxen Kirche als „morgenländisohe Kirche“). Man sieht — dies soll zur Entschuldigung der obengenannten naiven Fragesteller gesagt sein —, es ist nicht leicht, immer gleich zu wissen, was jeweils mit „Orientalen“ und „Ostkirche“ gemeint ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung