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EUGENE TISSERANT / KOPF UND KAMPFER

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Wien konnte in diesen Tagen eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Welt-katholizisnius begrüßen, Kardinal Eugene Tisserant, dem das Ehrendoktorat der Theologischen Fakultät der Universität Wien verliehen wurde und der seinen Besuch in Wien zum Anlaß nahm, jene kirchlichen Institute und Orte zu besuchen, die mit ostkirchlichen Fragen beschäftigt sind.

Kardinal Eugene Tisserant, der ranghöchste Würdenträger der Römischen Kurie, Dekan des Kardinalskollegiums und Sekretär der Kongregation für die Ostkirche, wurde am 24. März 1884 als Sohn eines Tierarztes in Nancy geboren. Der junge Tisserant bewies bereits die Kraft und Zähigkeit seiner lothringischen Herkunft: ein hochbegabter Kopf, der in Kürze ein halbes Dutzend semitischer Sprachen erlernte, teilweise ohne jede Unterstützung durch einen Lehrer; zugleich ein leidenschaftlicher Liebhaber seiner französischen Nation. Vom Nahen Orient her meldete er sich im ersten Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger, wurde ein vorbildlicher Offizier, kämpfte an den Dardanellen und in der Levantearmee und wurde auf dem Boden der Heimat, bei Vitremont in Lothringen, schwer verwundet.

Ein Kopf und ein Kämpfer.

Dieser Mann war dazu berufen, die vielleicht schwierigste Kongregation in der Gesamtregierung des Päpstlichen Stuhles zu übernehmen, die erst 1917 gegründete Kongregation für die Ostkirche. Nicht erst seit dem Bolschewismus, sondern bereits seit tausend Jahren bilden die Beziehungen der römisch-katholischen Kirche zur Ostkirche, besser, zu den sehr verschiedenen nationalen Kirchentümern des Ostens, die heikelste und schwerste Auseinandersetzung innerchristlicher Art.' Geistigkeit und Kirchentum der Orientalen sind dermaßen verschieden von römisch-katholischer, abendländischer Mentalität, daß es außerordentlicher Geduld, Kraft, Umsicht und hoher Einfühlungsgabe bedarf, sollen diese Beziehungen nicht immer wieder zu Konflikten führen. Eugene Tisserant hat als Professor an der päpstlichen Universität St. Apollinaris in Rom, als Skriptor für orientalische Sprachen an der Vaticana, als Forschungsreisender im Orient, als Vertreter des Vatikans an der päpstlichen Mission in Aethiopien (1929) und bei zahlreichen orientalischen Kongressen seine hohe Gelehrsamkeit ebenso unter Beweis gestellt wie seine diplomatische Begabung. Es gelang ihm* das von Papst Leo XIII. tatkräftig begonnene, von Pius XI. und Pius XII. geförderte Unternehmen der Uniierung orientalischer Kirchen mit Rom fortzuführen. 1936 zum Kardinal erhoben, wenig später mit der Leitung der Kongregation für die Ostkirche betraut, unterstehen heute seiner Führung und tatkräftigen Initiative alle Arbeiten und Unternehmungen, die mit der Verbindung der Ostkirche mit Rom zu tun haben.

Das sind Fragen höchst komplizierter Natur, wie die Kodifizierung des orientalischen Kirchenrechts, die Reform der Liturgien der verschiedenen Riten, die Vereinheitlichung der Rechtsprechung in den verschiedenen bereits mit Rom uniierten Kirchen. Das Russi-cum, das päpstliche Institut zur Heranbildung russischer Priester, von Pius XI. gegründet, steht bekanntlich seit seiner Gründung im Brennpunkt der Oeffentlichkeit.

Kardinal Tisserant ist, als Persönlichkeit und Kirchenfürst, ein eindrucksvoller Beweis für die von tiefem, Ernst beseelte Anteilnahme der römisch-katholischen KircUe am Osten und an der Ostkirche.

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