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Lloyds meldet

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Die Technik stürzt von einem Triumph zum ändern. Der ungeheuren Verkehrsumwälzung, die sich durch die alle Meere in rasanten Bahnen überspannende, modernste Entwicklung des Flugwesens vollzogen hat, folgt jetzt — wenn auch in bedeutendem Abstand — die Seeschiffahrt. Würde es nicht ein so zuverlässiger Pegel, wie „Lloyds Register of Shipping“ anzeigen, so würde man es nach den ungeheuren Schiffszerstörungen des zweiten Weltkriegs nicht für möglich halten, daß sich die Welttonnag der Vorkriegszeit bis Mitte des Vorjahres schon von 69,44 Millionen auf 80,29 Millionen vermehrt hat. Freilich ist ein erheblicher Teil dieses Schiffsraums — etwa 11,5 Millionen der 26,9 Millionen Tonnen, mit denen heute die USA als Besitzer der größten Handelsflotte verzeichnet wird — für die Hochseeschiffahrt ausgeschaltet; das ist jener gewaltige Rest von Liberty- und Victoryschiffen, die, in amerikanischem Serienerzeugnis während des Krieges zum raschen Ersatz der starken Schiffsverluste hergestellt, schon in ihrer Konstruktion und Ausstattung sie nur als zweckbestimmte kurzlebige Erzeugnisse erkennen ließ. Der größte Teil dieser Fahrzeuge liegt im Hudson und anderen Binnenwässern, häufig als Warenspeicher verwendet. In Wirklichkeit steht noch immer Großbritannien mit einer Handelsflotte von 18,02 Millionen Tonnen an der Spitze aller seefahrenden Nationen; 60 Prozent seiner Schiffe zählen über 15.000 Tonnen. Immer größer wird jetzt die Zahl der schwimmenden Riesen des Passagierverkehrs. Der 45.000-Tonnen-Dampfer „Ile de France“ oll jetzt von einem amerikanischen Superliner von 48.000 Tonnen überboten werden; aber das Projekt der amerikanischen „Liberty Lines Inc.“ will — wohl dank ihrer riesigen Kriegsgewinne — diesen Gi ganten noch um 100 Prozent schlagen. Zwei Ungeheuer von Schnelldampfern zu je 100.000 Tonnen stehen in diesem Projekt; jede dieser schwimmenden Städte soll für 5000 Kabinen und 10.000 Passagiere Raum bieten und eine Überfahrt nach Europa zu 100 Dollar ermöglichen; bisher kostet eine einfache Fahrt fast das Dreifache, in der Touristenklasse zwischen 150 bis 170 Dollar.

Vor einem Jahrzehnt zählte Deutschland mit seinen 4,5 Millionen Tonnen noch zu den ersten Seemächten des Welthandels. Eine der schweren Folgen des Hitlerabenteuers ist der Verlust dieser Stellung. Von jener glänzenden Handelsflotte sind nur vier Prozent übergeblieben. Es gilt jetzt schon als ein Erfolg, daß die deutsche Reederei 7500-Tonnen-Schiffe bauen und fremden Schiffsraum mieten darf. Zwei Riesenschiffe eines amerikanischen Konzerns werden auf geraume Zeit eine größere Tonnenzahl zu eigen haben als die ganze deutsche Handelsflotte. E r- mißt man überall, was das heißt? Man hat Verständnis dafür, daß ein Sieger seine Chance nützt. Es kann aber nichts Gutes bringen, wenn ein Sieg der Waffen zu der kapitalistischen Eroberung weiten Lebensraums eines ganzen arbeitsamen und begabten Volkes wird.

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