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Kommt der Groß verkehr in der Luft?
Als 1930 das sechsmotorige Dornier-Flugboot „Do X“ fertiggestellt und damit der Sprung von den damals in stetiger Entwicklung erreichten „Großflugzeugen“ (mit einem Fassungsraum von 15 bis 20 Personen) zum 40-Personen-Flugzeug gewagt wurde, begann ein neuer Abschnitt in der Entwicklungsgeschichte des Flugzeugbaues. „Do X“ machte einige aufsehenerregende Flüge, in deren Verlaufe verschiedene Baumängel auftraten. Dies und vor allem die bald darauf einsetzende Weltwirtschaftskrise setzten allen Plänen, ein brauchbares, nicht mehr sportlichen, sondern wirtschaftlichen Zwecken dienendes Flugzeug für den Transatlantikdienst zu schaffen, ein Ende.
Erst mit dem Eintritt besserer wirtschaftlicher Verhältnisse — es waren inzwischen fünf Jahre vergangen — konnten die großen Luftverkehrsgesellschaften ihre Versuche, in der Fahrgast- und Edelfracht-beförderung mit den beherrschenden Schifffahrtsunternehmungen in Wettbewerb zu treten, aufnehmen. Während sich Deutschland nach dem Fiasko des „Do X“ etwas reservierter verhielt, begannen französische und englische Firmen, etwas später, aber in größerem Maßstab, amerikanische Flugzeugwerke mit dem Bau voa Großflugbooten mit einem durchschnittlichen Fluggewicht von 20 bis 25 Tonnen und einer Reichweite bis 7500 Kilometer. Diese Baumuster hatten immerhin schon eine Flügelspannweite bis zu 40 Meter, faßten aber mit Rücksicht auf den beträchtlichen Aktionsradius höchstens 20 Personen. 1938 brachten die beiden französischen Baufirmen Latecoere und Martin schon 40-Tonnen-Hugboote mit einer Motorenleistung von 5000 PS heraus. Zur gleichen Zeit tauchten die ersten amerikanischen Großflugboote auf, die dann in der Folge als „Atlantik- und Pazifikklipper“ bekannt wurden. Diese 40 bis 50 Tonnen schweren Maschinen besorgten erstmalig den fahrplanmäßigen P a s s a g i e r f 1 u g über die Ozeane und haben durch ihre Zuverlässigkeit bald allgemeine Wertschätzung erfahren. Aber die Entwicklung ging weiter und zu Beginn des zweiten Weltkrieges waren 60-Tonnen-Flugzeuge keine Seltenheit mehr.
Der Krieg, in dessen Verlaufe Strategie und Taktik vielfach neue Wege gegangen sind, hat dem Flugzeug im Zuge dieser Wandlungen zu seinen bisherigen Einsatzmöglichkeiten noch eine neue gebracht, für die es auf Grund des zuletzt erreichten Standes die nötigen Voraussetzungen besaß, nämlich als Truppen- und Großlasttrans-porter.
Um eine Vorstellung von den Ausmaßen einer modernen, jahrelang erprobten Type von Großflugbooten zu geben, seien jetzt einige Zahlen und Vergleiche angeführt, die nicht nur den selbsterlebten, aber deshalb geradezu unwahrscheinlich anmutenden Aufstieg des Flugwesens bewußt werden lassen, sondern auch beispielhaft den Triumph menschlichen Geistes in der Beherrschung der Materie demonstrieren. Aus einem mächtigen, zweigeschossigen Bootskörper von 4 Meter Breite und zirka 35 | Meter Länge wächst sozusagen in Schulterhöhe des Bootes nach beiden Seiten freitragend je ein Tragflügel von wuchtigem Ausmaß; bei einer Spannweite der Tragflächen von 60 Meter könnten bequem 100 Männer in einer Reihe Aufstellung nehmen. Im Flügelinnern hat man die Treibstofftanks untergebracht mit einem Fassungsraum, der dem von acht Bahnzisternenwagen entspricht.
Unter der großen Zahl von Neuschöpfungen ragt das im November vorigen Jahres in Dienst gestellte Baumuster „C o n-s t e 11 a t i o n“ der Lockhead Aircraft Corp. hervor. Diese Maschine zeichnet sich nicht nur durch Größe und Reichweite, sondern durch besondere Schnelligkeit aus; sie bewältigt die Strecke New York — Shannon (Irland) in nur 15 Stunden. Den Vogel werden in dieser Beziehung wohl die amerikanischen „Rainbow“-Flugzeuge abschießen — 100 Tonnen schwere Stratosphärenmaschinen —, die dieses Jahr zum Einsatz kommen und von New York bis London nur mehr neun Stunden benötigen sollen. Im Konstruktionsstadium, beziehungsweise im Bau befindet sich schließlich eine größere Serie von Flugzeugen, die wegen ihrer Dimensionen mit Redit den Namen „fliegende Schiffe“ verdienen. Diese Riesenmaschinen sind ebenfalls für den Atlantikdienst bestimmt und sollen bei einem Fluggewicht von 160 Tonnen 200 Fahrgäste befördern. In dem Bestreben, den amerikanischen Vorsprung im Bau von Riesenflugzeugen aufzuholen und um nicht wichtige Positionen im atlantischen Flugdienst zu verlieren, wurde in England mit dem Bau einer fast gleich großen Type, der „Bristol-Brabazo n“, begonnen,deren Fertigstellung im Jahre 1947 erwartet wird. Ob sich die Tendenz, noch größere und stärkere Maschinen zu bauen, fortsetzen wird, ist bei Verwendung flüssiger Treibstoffe wenig wahrscheinlich, hingegen mit Raketenantrieb durchaus möglich.
Im Kriege ergaben sich unschätzbare Erfahrungen auf dem Gebiet der Flugsicherheit und aus der Vorrangstellung der militärischen Notwendigkeiten vor allen Fragen der Finanzierung und Wirtschaftlichkeit, Möglichkeiten kostspieliger Investitionen durch den Staat, vor denen auch die bestfundierten Privatunternehmen zurückschrecken würden.
Wir erleben jetzt wieder die Umstellung der Flugzeugindustrie von der Kriegs- auf die Friedenserzeugung; sie wird auf Grund der gewonnenen technischen Erfahrungen zu einer beträchtlichen Ausweitung des Luftverkehrs führen.
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