Je mehr Kommentare, Analysen und Äußerungen von führenden amerikanischen Persönlichkeiten man liest, desto schwieriger ist es, sich von der zukünftigen Gestaltung der Außenpolitik der Vereinigten Staaten ein Bild zu machen. Für Europa und andere Weltteile ist dieser Zustand ziemlich verwirrend.Ende April 1973 lancierte Henry Kissinger ein Dokument, das eine feierliche Erneuerung des Nordatlantikpaktes durch alle Mitgliedstaaten hätte herbeiführen sollen. Amerikas Verbündete waren ziemlich verblüfft über diese Aufforderung, eine derartige Absichtserklärung zu unterzeichnen, die am
Der neue Krieg im Nahen Osten hat in der Welt Stürme der Emotionen entfesselt, die es schwermachen, dieses Ereignis auf der Waage der politischen Vernunft zu wägen. Alle Ideologien haben versagt, weil es sich um einen reinen Machtkampf zwischen verfeindeten Staaten handelte. Auch das Argument des Antisemitismus, das von den Freunden Israels gegen die Freunde der Araber ins Feld geführt wurde, ist nicht stichhaltig, weil nicht die Araber im Weltkrieg fünf oder sechs Millionen Juden getötet haben und überdies' die Araber selber Semiten sind. Selbst die Anklage, daß sich die Regierungen
Den Kontroversen der jüngsten Zeit kann man nicht ausweichen, weil sie allen gerecht denkenden Menschen auf der Seele lasten. Ich meine den Militärputsch in Chile und die Repression gegen die dissidenten Intellektuellen in der Sowjetunion. Die Proteste, die überall laut geworden sind, bestätigen die Tatsache, daß die Welt eine Art politisch-moralische Einheit geworden ist; über alle Grenzen und Unterschiede hinweg dringen in unserer Zeit die Informationen zu einer Vielzahl von Menschen, wie noch nie in der Vergangenheit. Nichts oder nur weniges bleibt heutzutage verborgen.Grundsätzlich
Es kommt nicht häufig vor, daß ein Geschichtsprofessor in eine führende politische Stellung gelangt, in der er praktisch anwenden kann, was er wissenschaftlich gelehrt hat. Die Ernennung Henry Kissingers zum Chef des amerikanischen Staatsdepartements ist eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, daß ein Historiker kaum eine Chance hat, sich als Politiker betätigen zu können.Nun ist es eher selten, daß die Kontinuität einer Staatspolitik, die auf bestimmten Interessen, Notwendigkeiten und Verbindlichkeiten beruht, radikal unterbrochen wird. Wohl kommt je nach dem innenpolitischen
In einer Sommerzeit, da verschiedene Völker ihren Nationalfeiertag festlich begehen oder begangen haben, liegt die Frage nahe, wie es eigentlich. mit dem Patriotismus oder Nationalismus bestellt ist. Ich muß mich gleich selbst berichtigen, indem Patriotismus und Nationalismus keineswegs das gleiche sind. Vielleicht könnte man die beiden Begriffe so unterscheiden, daß Patriotismus etwas mit der Anhänglichkeit an die eigene Heimat zu tun hat, während der Nationalismus etwas Überhebliches, Selbstgerechtes und mit Verachtung oder Feindseligkeit gegenüber anderen Völkern Verbundenes an
Weil dem Menschen das Hemd näher ist als der Rock, denken und sprechen wir in Europa vor allem von den eigenen politischen Sorgen, zu denen auch die neue Entwicklung in den Beziehungen zwischen Amerika und der Sowjetunion gehört. Wir vergessen zu leicht, daß es noch andere Länder und Weltteile gibt, deren Zukunft vielleicht in absehbarer Zeit ebenso wichtig sein könnte wie das, was auf der nördlichen, industrialisierten Hälfte der Erdkugel geschieht.Die sogenannte Dritte Welt, oder die unterentwickelten Kontinente und Länder, ist aber auch in voller Wandlung begriffen. Ein Blick auf
Der gesamte Komplex der sogenannten Ost-West-Beziehungen, der heute mehr denn je im Mittelpunkt der internationalen Politik steht, wirft die grundsätzliche Frage des Verhältnisses zwischen Innen- und Außenpolitik auf. Genauer gesagt: der Beziehungen zwischen Staaten mit verschiedenen sozialen und politischen Systemen.Die vereinfachende Publizistik und Propaganda des Kalten Krieges hat mit den Begriffen „Kommunistischer Block“ und „Freie Welt“ operiert. Es hatte den Anschein, als ob die Beziehungen der Staaten und Staatengruppenzueinander fast ausschließlich ideologisch bestimmt
Ein politischer Skandal ist immer auch ein politisches Kampfmittel. Was heute in den Vereinigten Staaten vor sich geht, ist eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen der Administration Nixon und den unzähligen Gegnern, die sie sich im Laufe von viereinhalb Jahren gemacht hat. Schadenfreude von Europäern, die sich zum Antiamerikanismus bekennen, wäre eine politische Torheit. Diesmal handelt es sich ausschließlich um einen Kampf zwischen Amerikanern. Anschuldigungen, die die amerikanische Presse gegen die Regierung Nixon erhebt, stellen allerdings alles in den Schatten, was in der übrigen
Ich wurde unlängst gefragt, wie es komme, daß sich heute die Jugend nicht mehr stark für den Gedanken eines vereinten Europa interessiere, nachdem in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg dieser Gedanke in der Jugend populär war. Hat sich die Jugend oder hat sich Europa verändert?Auf den ersten Anhieb würde ich antworten: beide haben sich verändert. Die Europafrage ist nicht mehr die gleiche wie vor 25 Jahren, als 1948 Politiker aus mehreren Ländern im Haag die Einigung Europas forderten. Und auch die Probleme, die die Jugend bewegen, sind andere geworden. Übrigens möchte ich nicht
Unlängst erregte eine Ersatzwahl in das britische Unterhaus Aufsehen, weil sie das Problem des Verhältnisses zwischen der Persönlichkeit und der Parteidisziplin ins Licht rückte. Ein Abgeordneter der Labourpartei namens Dick Taverne war mit der Parteimaschine in Konflikt geraten, weil er entgegen ihrer Weisung im Parlament für den Beitritt Großbritanniens in die EWG gestimmt hatte. Daraufhin demissionierte er von seinem Abgeordnetensitz und machte die Bürger senes Wahlkreises zu seinen Richtern, indem er als Unabhängiger kandidierte. Die Labourpartei stellte gegen ihn einen offiziellen
Präsident Pompidou bezeichnete den Wahlkampf in Frankreich als ein Duell zwischen den verbündeten Sozialisten und Kommunisten auf der einen Seite und „allen anderen“ auf der anderen Seite. In der Tat kämpft die Union der Linksparteien auf Grund eines Gemeinsamen Programms gegen die Koalition der bisherigen Regierungsparteien. Die Spaltung der politischen Formationen in zwei Blöcke, von denen der eine die Institutionen der Republik und die bestehende Gesellschaftsordnung verteidigt, der andere für die Umstrukturierung von Gesellschaft und Wirtschaft im Sinne eines von bürgerlichen
Es ist möglich, daß die Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens Jür Vietnam sich in ihren Einzelheiten als schwer durch führba^rw eisen werden. Aber die Hauptsache, nämlichder Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Indochina, kann nicht rückgängig gemacht werden. Hier wiederholt sich, was nach dem Abkommen von Evian 1962 in Algerien geschah: das Ende der fremden militärischen Einmischung und der Beginn von inneren politschen Auseinandersetzungen und Konflikten, die zu irgendeiner nicht voraussehbaren Lösung führen werden. Die Amerikaner sind des Krieges in Indochina ebenso müde wie es die Franzosen des Krieges in Algerien waren.
An diesem Jahresbeginn kommt kein Politiker und kein politischer Kommentator an der Tragödie des Vietnamkrieges vorbei. Die Maßlosigkeit und Grausamkeit der amerikanischen Bombardierungen der Städte Hanoi und Haiphong in der zweiten Dezemberhälfte erschweren jeden Versuch einer objektiven Erklärung dieses Vorgehens, das den Charakter einer Terroraktion hatte. Wenn man in Amerika über die Heftigkeit des weltweiten Protestes überrascht ist, den diese weihnachtlichen Bombardierungen ausgelösthaben, muß man daran erinnern, daß Ende Oktober auch nach der Meinung der amerikanischen
Man spricht heute viel von einer „Personalisierung der Politik“. Bei der Wähl eines Präsidenten durch das Volk, wie in Amerika und Frankreich, aber auch bei der Wahl eines Parlamentes spielt die Persönlichkeit des künftigen Staats- oder Regierungschefs eine ausschlaggebende Rolle.Das war in den westlichen Demokratien nicht immer so. In den Vereinigten Staaten gab es Zeiten, in denen der Präsident, und solche, in denen — wenn der Präsident schwach war — der Kongreß regierte. Großbritanniens und Frankreichs schwankende Politik zwischen den beiden Weltkriegen kam nicht zuletzt
Eine der meist genannten und zweifellos einflußreichsten Persönlichkeiten der heutigen Welt-politik ist Henry A. Kissinger. Wer ist Kissinger?Wir kannten Werke des Historikers und Politologen der Harvard-Universität, bevor es diesem Professor vergönnt war, seine wissenschaftlich erarbeiteten Ein- und Ansichten als Berater des Präsidenten Nixon praktisch anwenden zu können. „A World Restored“ ist eines der besten Werke über Metternich und den Wiener Kongreß; 1965 folgte „The Troubled Partner-ship“, eine scharfsinnige Analyse und wohl erwogene Kritik der amerikanischen
Die Weihnachtsbotschaft hörten wir wohl. Fehlt uns der Glaube? Es ist, wenn man vom Frieden zwischen den Staaten und, Völkern spricht, besser, nicht zuviel Gefühl in das Wort „Frieden“ zu legen. Politik hat — Gott sei's geklagt! — mit Himmelsbotschaften nicht viel zu tun. Was ist Frieden? Vielleicht nur das Fehlen des Kriegszustandes? Oder ist es das Vorhandensein und die Einhaltung von formellen Friedensverträgen? Kann man weitergehen und den ernsthaften Willen, Frieden zu halten und Konflikte zu verhindern, als einen begehrenswerten, ja erfreulichen Zustand betrachten?Man sollte,
Es würde etwas in der politischen Landschaft Europas fehlen, wenn Italien nicht wäre. Die Wichtigkeit eines Staates mißt sich nur an seinem Gewicht als politische und militärische Macht. Die Verschiebungen des Mächtegleichgewichtes, sagt ein amerikanischer Sachverständiger, gehen heute alle innerhalb der Grenzen der Staaten vor sich. Das spezifische Gewicht Italiens darf nicht übersehen noch unterschätzt werden. Sein rascher Ubergang von einem unterentwickelten Agrarland zu einem hochentwickelten Industriestaat, seine Bevölkerungsverschiebung vom ländlichen Süden nach dem städtischen Norden, sein „Wirtschaftswunder“, das sich in emem raschen Produktionszuwachs und einem steigenden Nationaleinkommen ausdrückt, haben das traditionelle Bild der Landschaft, der Gesellschaft und der Wirtschaftsstruktur Italiens verändert.
Spätere Historiker werden, sofern es in Zukunft noch einige Freiheit des Urteils und der Kritik geben sollte, unserem Jahrhundert seine Verwilderung vorwerfen. Sie hat leider mit der 30jährigen Kriegsepoche keineswegs aufgehört. Unmenschlichkeit, Verfolgung, Unterdrückung, Folterung, Mord scheinen zu den politischen Sitten unseres Jahrhunderts zu gehören. Es gab einst völkerrechtliche Regeln, die gewisse Exzesse gegen die Zivilbevölkerung, gegen die Kriegsgefangenen, ja sogar bestimmte Kriegshandlungen, wie die Bombardierung von offenen Städten aus der Luft und die Torpedierung von
Seitdem die mittleren Mächte England, Frankreich und.Holland aus ihren ehemVsen Besitzungen in Asien vertrieben Warden, stehen nur noch die großen Drei, Sowjetruüland, die Vereinigten Staaten und China, auf dem riesigen asiatischen Schachbrett einander gegenüber. Rußland und Amerika haben gemein, daß sie Weltmächte, europäische Mächte und asiatische Mächte sind. China ist nur eine asiatische Macht, deren enorme Bevölkerungsmassen in einem von neuen Energien geladenen, seine politische und wirtschaftliche Erneuerung vorantreibenden, auf die übrige Welt mit revolutionären Parolen einwirkenden Staat eingeschlossen sind. Daß sein Aufstieg zur dritten Weltmacht nur eine Frage der Zeit ist, wird nirgends bezweifelt — und fiberall gefürchtet.