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Kann die Wirtschaft weiblich sein?

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Es versprach interessant zu werden: Wirtschaftsexpertinnen hatten sich zu einem überparteilichen Team zusammengefunden und einen „Wirtschaftsdialog von und mit Frauen” auf die Beine gestellt. Unter dem Titel „Schöne Wirtschaft - ü/ierrliche Zeiten” wollten Renner-Institut, Grüne Bildungswerkstatt, Liberales Bildungsforum und Junge Industrie „neue Perspektiven für wirtschaftliches Handeln” und „neue Wege zur Verbindung von Wohlstand und Wohlbefinden” vorstellen und diskutieren.

Daß die Diskussion stellenweise durchaus kontroversiell verlief, dafür sorgte bereits das Konzept der Tagung im Wiener „Haus der Industrie”. So wurden Referate, Workshops und Moderationen nicht nur (parteipolitisch gemischt, sondern auch aus jeweils unterschiedlicher Sicht von Theorie und Praxis präsentiert. Erstaunlich dabei: Differenzen gab es weniger zwischen den politischen Lagern als zwischen Wissenschaft und Wirtschaftspraxis.

Während die Hauptreferate der Universitäts-Assistentinnen Angela Fiedler von der Freien Universität

Berlin - „Frauenerwerbstätigkeit in der ökonomischen Theorie” — und Luise Gubitzer von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien - „Bis jetzt waren wir selbstlos - jetzt gehen wir selbst los. Vom Wohlstand zum Wohlbefinden” durchaus feministische Ansätze zeigten, konzentrierten sich Isabella Lindner von der Osterreichischen Nationalbank und Angelika Strumpf von der Raiffeisen Kapitalanlage GmbH in ihrem Workshop „Geld und Finanzmärkte - ein großes Casino?” auf die Darstellung der Materie und das Problem größerer Transparenz zu diskutieren; ein Thema, das zweifellos Männer nicht weniger betrifft als Frauen.

Hat das Budget ein Geschlecht?

Den größten Zulauf - 50 vorwiegend weibliche Teilnehmer - hatte der Workshop „Staatliche Einnahmen-und Ausgabenpolitik. Hat das Budget ein Geschlecht” Edith Kitzmantel, EU-Budget-Kommission in Brüssel, und WU-Assistentin Walpurga Köhler-Töglhofer, analysierten die geschlechtsspezifischen Verteilungswirkungen des öffentlichen Sektors. Fazit von drei WU-Absolventinnen:

„Wir wüßten ja, wie es geht, aber die Möglichkeit zur Umsetzung haben wir nicht.”

Ebenfalls keineswegs euphorisch verlief der Workshop „Konsumentinnen auf dem Weg zur Souveränität?” Die Theorie spricht zwar von „Konsumfreiheit und Konsumentinnen-Souveränität”, die Praxis aber zeigt ein deutliches „Einfluß- und Machtgefälle” ; deprimierend-eindrucksvoll belegte das Erika Claupein vom Institut für Wirtschaftslehre der Haushalts- und Verbrauchsforschung an der Universität Gießen. Im Kontrast dazu demonstrierte Geschäftsführe-rin der Inzersdorfer Nahrungsmittel GmbH. Martina Pecher, daß der Wettbewerb auch deshalb immer schwieriger wird, weil das Konsumverhalten von Männern und Frauen immer weniger berechenbar sei, weil es immer spontaner erfolge. Auch in diesem Arbeitskreis war das spezifisch Weibliche nicht auszumachen, das Resümee beinahe resignativ.

Mut machte hingegen ein Firmenbeispiel in Gablitz. Nach der unerfreulichen Analyse von Irene Geldner von der Wiener Arbeiterkammer im Workshop „Frauenarbeit - Arbeitsmarkt” berichtete Christiane Edel-hauser, die Leiterin der Marketing-

Abteilung der Firma Perolin, Erstaunliches: seit Beginn dieses Jahres sind „sämtliche leitenden Funktionen ausschließlich in weiblichen Händen”; eingeführt wurde ein Teilzeitarbeitsmodell mit einvernehmlicher flexibler Anwendung. Erfolg:das Unternehmen konnte sich trotz rauhem Wettbewerb überlegen behaupten.

War die Tagung ein Erfolg? Für viele der vorwiegend jungen Frauen schon: „Das Gespräch über politische Grenzen hinweg, der Austausch von Erfahrungen. Vielleicht der Beginn einer Vernetzung?”

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