Der Kampf ums Publikum

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Neuordnung der Bundesmuseen: Das Problem dabei ist, dass die Kernkompetenzen der einzelnen Häuser selten publikumswirksame Massenschauen ermöglichen.

Bereits im Sommer 2007 hatte die Ministerin ihre „museumspolitische Initiative“ mit dem Ziel, die Aufgaben der Bundesmuseen genau zu definieren, angekündigt. Die neuen Museumsordnungen für die Bundesmuseen sollten laut Claudia Schmied das „Fundament der Museumslandschaft des 21. Jahrhunderts“ werden. Schmied hatte bei der Präsentation Anfang Oktober 2009 dann erklärt, „dass diese Museumsordnungen keine Revolution darstellen“. Wobei die Positionen klar bezogen waren: Das Ministerium will konkrete Zuständigkeiten verankern, die Direktoren pochen auf ihre Autonomie. So konnte noch vor der Präsentation der Standard vermelden: „Bundesmuseen-Direktoren fürchten um ihre Autonomie“, und danach titelte die APA: „Direktoren pochen auf ihre Autonomie“.

In die neuen Museumsordnungen seien, so die Aussendung des Ministeriums, die 21 eingegangenen Stellungnahmen der Direktoren der Bundesmuseen und aller anderer involvierter Stellen zu den Begutachtungsentwürfen eingeflossen. Außerdem habe die Ministerin eine Diskussion mit der Direktorenkonferenz zu diesem Thema geführt. „Durch den Erlass der Museumsordnungen ist ein zentraler Schritt für die Museumslandschaft des 21. Jahrhunderts gesetzt worden. Ich danke allen Beteiligten für die konstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit“, verlautbarte die Kulturministerin.

Schlagworte „Evaluierung“, „Transparenz“

„Wir schaffen mehr Klarheit und Transparenz für unsere Bundesmuseen. Erstmals haben wir ein einheitliches, nachvollziehbares Regelwerk geschaffen, das das Verhältnis zwischen Ministerium, Kuratorien, Geschäftsführungen sowie das Verhältnis der Museen untereinander klar und transparent gestaltet.“ Die Bundesmuseenlandschaft werde „in ihren Stärken gestärkt“, formuliert das Ministerium. „Strukturelle Schwächen und Intransparenz werden minimiert. Die Museumsordnungen sind eine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten“, so Kulturministerin Claudia Schmied zu den neuen Museumsordnungen.

Das eigentliche Problem der Bundesmuseen ist seit Jahren gleichbleibend. „Mit allen Mitteln müssen Besucher in die ehrwürdigen Hallen gelockt werden, man setzt auf Breitenwirkung und versucht, den Konkurrenten die großen Zugnummern wegzuschnappen. Vier Rubens-Schauen gab es im Vorjahr, warum also nicht fünf Raffael-Ausstellungen im nächsten Jahr?“, schrieb Norbert Mayer in einem Presse-Leitartikel. Das war 2005, und die Kulturministerin hieß noch Elisabeth Gehrer. Das Schlagwort ihrer Amtszeit hieß Evaluierung, Schmied setzt auf Transparenz. Doch auch die aktuelle Kulturministerin hat keine guten Nachrichten für die Direktoren. Es fehlt wie immer an Geld: „So wie sich jetzt die Wirtschaftslage darstellt, werden wir in den nächsten Jahren keine großen Spielräume haben“, wird Schmied vom ORF zitiert.

Überschneidungen zwischen den Museen

Bei kaum steigender Basisabgeltung müssen die Direktoren neue Einnahmequellen erschließen. Publikumswirksame Aktionen liegen häufig außerhalb der eigentlichen Kernkompetenzen der Häuser. Diese Kompetenzen werden aber vom Bund definiert. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder hat mit seiner Programmierung nicht nur neue Besucherrekorde erreicht, sondern ist immer wieder von der Kernkompetenz des Hauses abgewichen. Die lautet nämlich eigentlich Grafik und Papierarbeiten. Schröders Programmierung macht auf ein strukturelles Problem aufmerksam. Seit der Wiedereröffnung der Albertina 2003 erhielt das Bundesmuseum eine jährliche konstante Basisabgeltung, die erst 2009 um 1,8 Millionen Euro auf 7,684 Millionen Euro erhöht werden sollte. Der Rest des 17-Millionen-Euro-Umsatzes wurde bei steigenden Kosten 2008 selbst erwirtschaftet. Wenn in wirtschaftlich turbulenten Phasen die Bundesmuseen hohe finanzielle Eigendeckungen erreichen müssen, zählen aber hauptsächlich die Besucherzahlen, um Sponsoren anzulocken. Die Kernkompetenz kann dabei zum Hindernis werden und wird auch in den neuen Museumsordnungen äußerst flexibel definiert.

Das Museum für angewandte Kunst MAK soll sich dabei auf „angewandte Kunst an der Schnittstelle zu Design, Architektur und Gegenwartskunst“ kümmern. Der Kulturbericht 2000 von Elisabeth Gehrer war ebenso wenig präzise: „Die Identität des Österreichischen Museums für angewandte Kunst liegt in seiner doppelten Aufgabe von Bewahrung und Experiment. Die seit der Museumsgründung 1864 gewachsene Sammlung tritt in Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, um so die Grenzbereiche zwischen angewandter und bildender Kunst auszuloten.“

Überschneidungen zwischen den Museen bleiben nicht aus. Besonders in der Gegenwartskunst kommt es zwischen dem Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig und dem Museum für angewandte Kunst immer wieder zu Verstimmungen. „Der Dialog als wichtiges Element der museumspolitischen Initiative“ soll daher durch die neuen Museumsordnungen weiter gestärkt werden. Die Autonomie der Direktoren ist laut Schmied nicht gefährdet: „Aber es gibt klare Spielregeln für alle, und ich halte auch eine ‚coopetition‘, also eine Mischung aus ein bisschen Wettbewerb einerseits, aber auch Klarheit in der Verantwortung andererseits für zukunftsweisend.“ Entscheidend für Künstler sei, dass zeitgenössische Kunst erworben werde, wünscht sich Schmied, und das wäre auch dringend notwendig. Die soziale Lage der Künstler in Österreich ist laut einer von der Ministerin beauftragten Studie bestenfalls trist.

Weiterwurschteln wie bisher?

„Ich kann kaum glauben, dass das die groß angekündigte – und lange notwendige – Museumsreform gewesen sein soll“, reagierte der Kultursprecher der Grünen und Vorsitzende des MUMOK-Kuratoriums Wolfgang Zinggl. Die Ministerin lege zwar Kernkompetenzen der Bundesmuseen fest, für deren Nichteinhaltung gebe es aber keinerlei Sanktionen. Für den grünen Politiker heißt das schlicht: „Weiterwurschteln wie bisher.“

Eine nennenswerte Änderung ist bereits in Kraft getreten: Seit 1. Jänner gilt in allen Bundesmuseen Gratiseintritt für Kinder und Jugendliche. In der ersten Schulwoche nimmt Claudia Schmied daher im Technischen Museum gemeinsam mit Direktorin Gabriele Zuna-Kratky gleich an der ersten Führung für eine Schulklasse im Rahmen des Gratiseintritts teil. „Auch für Senioren ist Teilhabe an Kunst, Kultur und Wissenschaft entscheidend!“, erklärte daraufhin in einer Aussendung prompt Josef Saller, Bundesobmann-Stellvertreter des VP-Seniorenbundes. „Wir freuen uns, dass ab 1. Jänner alle unter 19-Jährigen Gratiseintritt in die sieben Bundesmuseen und die Nationalbibliothek erhalten. Allerdings muss dies auch für Seniorinnen und Senioren gelten – ein wichtiger Auftrag, den wir für 2010 auf unserer Agenda haben.“

Um Besucherzahlen stabil halten zu können, lassen sich die Museen einiges einfallen und werben um jeden möglichen Besucher. Studenten bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres haben im MUMOK ab sofort ebenfalls freien Eintritt, im MAK ist ohnedies jeden Samstag der Eintritt frei. Besonders im Museum für angewandte Kunst sind zahlende Besucher eine Seltenheit, von den 176.848 Besuchern im Jahr 2008 mussten laut Kulturbericht 2008 nur mehr 17.970 den vollen Eintrittspreis bezahlen.

Seit dem Bundesmuseen-Gesetz 1998 sind die Bundesmuseen wissenschaftliche Anstalten öffentlichen Rechtes, ihnen ist die Erfüllung eines kulturpolitischen und wissenschaftlichen Auftrags als gemeinnützige öffentliche Aufgabe anvertraut. Wissenschaftliche Ansprüche und für das Sponsoring notwendige, hohe Besucherzahlen lassen sich aber selten vereinen. Die Erfüllung der Kernkompetenz kann dann nicht immer Priorität haben.

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