Freiheit vor Harmonie

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Anton Schweighofers Lebenswerk als Architekt, Denker, Lehrer: Modern, doch nie modisch.

Gelungene Architektur ist mehr als die Summe ihrer Teile, ein gutes Architekturbuch mehr als ein Bildband mit umwerfend fotografierten Bauten. "Anton Schweighofer - Der stille Radikale" unterscheidet sich auf den ersten Blick von vielen einschlägigen Publikationen: eine Fotomontage ziert das Cover. Wesentliches ist hier zu sehen: das Detail eines Baues in Farbe, Rohbeton, Säule, ein Stück Fenster, durch das Licht einfällt. Daneben der Architekt, Anton Schweighofer, schwarzweiß, versonnen in die Landschaft und aus dem Format blickend, in die Weite eines Meeresstrandes mit Horizont.

Das Innere hält, was dieses Bild verspricht. Es transportiert die Komplexität der Architektur Schweighofers in Buchform. Damit ein Gebäude nicht nur funktioniert, sondern Atmosphäre ausstrahlt, braucht es viel Wissen und Hingabe. Der Genius loci, stimmige Raumproportionen, Lichteinfall, Überlegungen zum Tagesablauf der künftigen Nutzer, technische Umsetzung, haptische Qualität und Funktion der Details, Persönlichkeit, Haltungen, soziale Anliegen des Architekten: all das spielt eine wesentliche Rolle. Schweighofer, der bei Clemens Holzmeister an der Akademie studierte, war immer ein philosophischer, lesender, suchender Architekt. Seine Bauten sind Raum gewordenes Denken. Seine Tätigkeit als Professor für Gebäudelehre an der TU Wien nahm er sehr ernst.

Die Frucht des zwanzigjährigen Versuchs, das Wesen der Architektur vom Vorentwurf zum Bauwerk zu vermitteln, kann man nun im Buch ernten. Reflexionen zur Architektur, Interviews, Querverweise zu prägenden Architektengestalten und Künstlern, Skizzen, Landschaftsaufnahmen, Grundrisse, Schnitte, Entwürfe, Fotos von Modellen, fertigen Bauten, Details, von Natur und stimmungsvoller anonymer Architektur, die Schweighofer bei seinen Reisen rund um die Welt machte. Das alles porträtiert umfassend die Persönlichkeit und ein Werk, das in über 40 Jahren gewachsen ist.

"Freiheit," lautet ein typischer Schweighofer-Ausspruch, "war mir immer wichtiger als Harmonie." Seine stille Radikalität zeigt sich deutlich am Gebauten, das immer den Menschen in den Mittelpunkt rückt, nie dem Zeitgeist, sondern grundsätzlichem Denken verpflichtet ist. Das Institutsgebäude der Hochschule für Bodenkultur (1974) beeindruckt nicht nur als einer der wenigen Experimentalbauten aus dem schnell die Rostfarbe annehmenden CorTen-Stahl Österreichs, auch seine skulpturale Erscheinungsform und die kommunikationsfördernde, studentenfreundliche Grundrisslösung überzeugen. Das Landeskrankenhaus Zwettl setzte in den siebziger Jahren im Spitalsalltag durch Belichtung, Kommunikationszonen, Naturbezug, neue Maßstäbe.

Die Kapelle mit hexagonalem Grundriss des SOS-Kinderdorfes Hinterbrühl erzeugte 1967 mit minimalen Mitteln, aufklappbaren Betonscheiben um einen Altar, einen ebenso flexiblen wie spirituellen Raum. Schweighofers Lösungen sind kontinuierlich radikal geblieben. 1993 baute er sich selbst einen Wohn-und Atelierturm aus Holz, in dem die Raumgrenzen mehrgeschoßig fließen. Das Studentenheim am Erlaufplatz (1994) weist jedem Bewohner eine Minimalzelle mit Stockbett, Kasten, Tisch zu: aus der rhythmischen Abfolge der Einzelhäuschen mit Gemeinschaftsräumen entsteht eine Straße im Inneren. Auf diesen 222 Seiten lässt sich viel entdecken.

Anton Schweighofer. Der stille Radikale. Bauten, Projekte, Konzepte.

Herausgegeben von Christian Kühn Springer Verlag, Wien 2000

222 Seiten, geb., reich illustriert, zum Teil in Farbe, öS 896,-/e 65,12,-

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