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CARL J. BURCKHARDT / VOR ALLEM HUMANIST

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Am 10. September 1966 feiert Carl Jacob Bur ckhar dt, Diplomat und Historiker, seinen 75. Geburtstag.

In Basel, der Stadt des großen Humanisten Erasmus, wurde Burckhardt geboren. Sein Vater, Carl Chr. Burckhardt, war Mit glied des eidgenössischen Nationalrates und Leiter (Minister) des Justizdepartements. Nach historischen Studien an den Universitäten von München und Göttingen kam Carl J. Burckhardt als Attache an die schweizerische Botschaft in Wien. Man schrieb den Herbst 1918, der junge Historiker konnte Geschichte erleben: Ein Reich brach auseinander... Aus dieser Zeit datiert die Freundschaft mit Hofmannsthal und Rilke. 1923 unternahm Burckhardt auf Wunsch des Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz eine Mission in die Türkei; es gelang ihm, den Heimtransport der letzten in Anatolien von der türkischen Regierung noch festgehaltenen Kriegsgefangenen durchzusetzen.

Nach diesen Ausflügen in die Diplomatie und in die Politik rief ihn wieder die Wissenschaft. Er begann seine akademische Laufbahn als Dozent für Geschichte 1927 in Zürich und wirkte dann von 1932 bis 1937 als Professor am Institut des Hautes Etudes Inter nationales in Genf. 1936 leitete er wieder eine Mission des Roten Kreuzes, diesmal nach Japan. 1937 trat Burckhardt in das Scheinwerferlicht der Weltpolitik, der Völkerbund ernannte ihn zum Hochkommissar in Danzig. Damals begann es sich bereits abzuzeichnen, daß der Stadtstaat an der Ostsee sich zu einem friedensbedrohenden Krisenherd entwik- keln würde. Als Repräsentant des immer schwächer und schließlich ohnmächtig werdenden Völkerbundes mußte Burckhardt Zusehen, wie die Welt dem Krieg zutrieb. In letzter Minute noch machte er einen dramatischen Vorstoß, um den Frieden zu retten — in einer Unterredung am 11. August 1939 versuchte er in seiner Eigenschaft als Hochkommissar Hitler von den Kriegsplänen abzubringen. Hitler antwortete, wenn er Krieg führen müsse, würde er ihn lieber heute als morgen beginnen; und er würde unbarmherzig bis zum äußersten kämpfen. Zu diesem Zeitpunkt war Danzig bereits voll von eingeschmuggeltem deutschen Kriegsmaterial, und die Zündschnur zu diesem Pulverfaß war bereits gelegt. 20 Tage später wurde sie gezündet.

Den Krieg und das Kriegsende erlebte Burckhardt an vorderster Friedensfront. Er stellte sich ganz dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zur Verfügung, dessen Präsident er von 1944 bis 1948 war. Von 1945 bis 1950 vertrat er sein Vaterland als Gesandter in Paris. Seit dem Rücktritt von diesem Posten kommt die Arbeit am Schreibtisch, seine reiche schriftstellerische Tätigkeit, wieder mehr zu ihren Rechten. Die vielen Auszeichnungen — aus ihrer Zahl sei nur das 1959 verliehene österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst hervorgehoben — sind ein Beweis dafür, daß die Welt dem Humanisten Burckhardt Dank weiß: Dank dafür, daß er über das Studium der Vergangenheit hinaus immer wieder, zum besten der Menschheit, voll und ganz zum Dienst an der Gegenwart bereit war.

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