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Hochhuth kontra Churchill

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SOLDATEN. Nekrolog auf Genf. Tragödie. Von Rolf Hochhuth. Rowohlt-Paperback, Band 59. Rowohlt-Verlag G. m. b. H„ Reinbek b. Hamburg-. Okt. 1967. 192 Selten. S 72.50.

In der letzten Zeit führen die Theater nicht nur Bühnenwerke auf, es gabt etwa auch szenische Darbietungen von Auszügen aus Briefen, aus Autobiographien.

HoohJhuth geht es darum, milt äußerster Intensität den verbrecherischen Zustand anzuprangern, daß es trotz der Genfer Konvention bis heute kein Luftkriegsrecht gibt, wodurch den Militärs alles erlaubt erscheint. Eine erfundene Gestalt, Dor-land, erklärt im Vorspiel, was die Deutschen und die Westmächte im zweiten Weltkrieg praktizierten sei die Abc-Fibel der heutigen Piloten. Hochhuth nimmt an, Dorland habe zu jenen englischen Fliegern gehört, die über Dresden inisgesamt 650.000 Brandbomben abwarfen, er sei nun von Reue erfaßt Als Regisseur ist er im Jahr 1964 — genau ein Jahrhundert nach Gern“ — daran, ein Everyman-Spiel in Coventry zu inszenieren, das ihn entsühnen soll, indem er — wie? — für ein Luft-kriegsrecht wirbt. Diesen reichlich vagen Plan läßt Hochhuth im Nachspiel scheitern, Vorspiel und Nachspiel rahmen lediglich die drei Akte um den Premierminister Churchill, die während des Krieges spielen.

Hitler fiel über Polen, Holland, Belgrad her, hierin bestand sein Verbrechen, nicht in der Bombardierung Warschaus und Rotterdams, die zu Festungen erklärt waren, stellt Churchill fest. So konzentriert Hochhuth seinen Angriff auf die Flächen-bombardemenits der Engländer, auf das Verbrennen von Wohnzentren, das OiucrchiM auf Rat des Physikprofessors Baron Cherwell, eines Deutschen, der vormals Lindemann hieß, befahl. Es geht vor allem um jene „Feuerstüirme“, durch die dann in Hamburg die Menschen mit einer Stondengeschwindigkeit von 250 Kilometern in die Flammenherde geschleudert wurden.

Bischof Bell nennt die Piloten dieser Bombenflugzeuge im Gespräch mit Churchill! Sittflichkedtsverbrecher, Dorland erklärt, Soldat sei nur, wer Soldaten bekämpft. Churchill aber ist sich bewußt, daß wer siegen will, böse sein müsse, er lädt bewußt Schuld auf sich. Doch zum Sieg trugen diese Bombardements nichts bei, sie waren mdilitärisch wertlos. Daß nun Hochhuth Churchilll weiter belastet, geschieht völlig unorganisch, jenseits seines sittlichen Anliegens von eminenter Gegenwartsbedeu-

tung. Der polnische General und Regierungschef Sikorski sucht Hilfe bei Churchill gegen Stalin, der Teile Polens besetzt, er fordert eine Untersuchung in Sache der 14.000 in Katyn ermordeten Polen, der Premierminister befürchtet aber, wenn diese Bestrebungen nicht unterbunden werden, könne der Kreml aus dem Bündnis mit den Westmächten „aussteigen“. Damit macht es Hochhuth wahrscheinlich, daß Churchill in dieser Zwangslage zustimmte, Sikorski durch einen absichtlich herbeigeführten Flugzeugabsturz zu töten.

Die Diskussionen Churchills mit dein Ohef des Empire-Generalstabs Brooke, mit Cherwell, Sölkorski und dem Bischof um diese Probleme und Entscheidlungen bieten ein unentwegtes Gegeneinander von Argumenten. Menschliche Einzelheiten wirken in dieser Hypertrophie des Dokumentarischen nahezu als Fremdkörper. Was Hochhuth vor alllern erreichen will, aufrüttelnd zu wirken, mißlingt. Statt uns zu erschüttern, langweilt er durch die Überfülle des archivarisch Erarbeiteten. Es wird sich zeigen, ob die notwendigen Striche einige Wirkung zu bringen vermögen,

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