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Churchills Bomberpiloten

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Trotz der Genfer Konvention gibt es bis heute kein Luftkriegsrecht, der Abschluß solch einer Vereinbarung wurde sabotiert, den Militärs erscheint dadurch alles erlaubt. Ist also das Verbrechen in Kriegszeiten ein notwendiger Teil der Staatsfüh- rumg? Um diese Frage geht es letztlich in dem szenischen Nekrolog auf Genf „Soldaten“ von Rolf Hochhuth, der derzeit im Volkstheater aufgeführt wird.

Churchill, die Hauptgestalt, erklärt: „Wer siegen will, der sei böse, wie der, den er vernichten muß.“ Und so wird gezeigt — siehe auch die Berichte der „Furche“ über die Berliner Aufführung der „Soldaten“ und über die Buchausgabe des Stücks —, wie der Premierminister das „Flächenbombardement“ deutscher Städte einschließlich der grauenhaften „Feuerstürme“ anordnet, wie der polnische General und Regierungschef Sikorski vermutlich mit Churchills Duldung bei einem höchstwahrscheinlich absichtlich herbedgeführten Flugzeugabsturz umkommt. Sikorski forderte die Untersuchung über die Ermordung der polnischen Offizien in Katyn; hätte er dies durchgesetzt, wäre Stalin als Verbündeter der Westmächte wahrscheinlich ausgeschieden

Die Probleme Flächenbombardement und Sikorski hängen nur dadurch zusammen, daß Churchill sich in der Zwangslage befand, Verbrecherisches anzuordnen, was Hochhuth als Faktum vorführt oder als Vermutung annimmt. Aber es sind dies lediglich endlose Diskussionen, !n denen Argument gegen Argument steht. Die erdrückende Fülle des Dokumentarischen wurde einfach dialogisiert, wobei sich ein Mangel an Gestaltungskraft, die Unfähigkeit zu bühnengemäßer Umsetzung erweist. Ansätze, um davon loszukommen, etwa eine Liaison zwischen einem weiblichen Ordonnanzoffizier und einem polnischen Hauptmann, Schmetterlingsleichen als optische Synonyme für Bomberflugzeuge, bleiben hilflos. Anzuerkennen ist Hochhüths Absicht, das menschheitsbedrohende Fehlen eines Luftkriegsrechts anzuprangern.

Die Masse erschütternden Materials bewirkt keine Erschütterung. Erst gegen Schluß ergibt sich eine etwas stärkere Anteilnahme, als Bischof Bell in der Diskussion dem

Premierminister ethische Vorhaltungen macht. Es mißlingt Hochhuth, die Tragik des Politikers zu gestalten, der Böses tut um des Guten willen, es gelingt ihm aber nicht, aufrüttelnd zu wirken. Ja, die vielen Zwischenschaltungen in den Dialog des Buchtextes zünden mitunter mehr als der Dialog selbst. Die Absicht, den Zuschauer schließlich doch zu aktivieren, wird in der Aufführung einigermaßen dadurch erreicht, daß Leon Epp als Regisseur Schlüssel- sätze, die im Vorspiel der drei Akte untergehen, an das Ende setzt: Soldat ist, wer Soldaten bekämpft; der Pilot, der Städte bombardiert, wird zum Berufsverbrecher. Berechtigt und klug streicht Epp mehr als die Hälfte des Textes, er drängt auch jene Motive zurück oder eliminiert sie, die reichlich unbeholfen eingefügt sind.

Ernst Schröder gelingt es meisterhaft, die von Hochhuth dialektisch angelegte Gestalt des jäh temperamentvollen Churchill von sich aus in kleinsten Gesten zu verlebendigen. Eine Spitzenleistung. Markante Gestalten erstehen durch Joseph Hendrichs als Churchills „graue Eminenz“ Cherwell, durch Egon Jordan als Sikorski und Hanns Krass- nitzer als Bischof Bell. Die schlichten Bühnenbilder entwarf Wolfgang Vollhard.

Zur 25. Wiederkehr des Todestags von Karl Schönherr brachte das Burgtheater eine Neueinstudierung seines viel gespielten Dramas „Der Weibsteufel“. Friedrich Schreyvogl, der einleitend über den Dichter sprach, ordnete ihn der „Familie Ibsen“ zu und meinte, er habe sich immer mehr Strindberg genähert. Was einem bei der Wiederbegegnung mit diesem Stück ergänzend noch mehr auffällt als schon früher, ist die geradezu purifizierte Zielstrebigkeit auf den Mord am Schluß hin, wodurch der Eindruck des Künstlichen entsteht. Damit wurde die Entwicklung des Dramas auf eine Spitze getrieben, von der sie sich seither abwandte. Unter der Regie von Erich Auer boten Ida Krottendorf als das Weib, Tom Krinzinger als der Mann, Heinz Trixner als Grenzjäger trefflich gezeichnete Gestalten.

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