i. “
Gäbe es Österreich nicht,
und in Österreich nicht eine Stadt,
wo wäre ich dann?'
Ich führe vielleicht durch die Ebene
mit den langen Zügen voller Getreide, ich läge vielleicht unter dem Korn.
Hier und anderswo
reift im Sommer der Weizen,
und im Winter
ist Österreich
mein ferner Mond.
II.
Zeit zu trinken, zu Hause zu sein
und wieder in Radstadt, in Gutenstein.
Nirgendwo lag ich sanfter im Schöße,
nirgendwo sonst lag ich wach
wenn der Kuckuck schrie.
Den Walnußbaum hat mein Vater gepflanzt,
er sagte: wenn die Nüsse fallen
schnitze das Bett.
Österreich ist, wo mein Vater war,
und wo er jetzt liegt,
werd ich immer die Tauern sehn,
die Herberge des Stiers und der Jungfrau,
und horchen auf Roggen und Wein,
Acker und Grab.
Ich kam und ich ging.
Aber Österreich heißt: ich war hier.
Ich habe gelebt.
III.
Von fern erinnert,
wenn ich aufschau, Amstetten mich
an Bäuerinnen früh in Trauer,
und dann sind es der Eichkogel und die March,
weinfleckige Tische in St. Peter in der Au,
und die kaiserlich gelben Stallungen in Laxenburg...
Dos hat seinen Ort, Landgasthaus,
Kastanie und Kegelbahn,
der Semmering und der Wind unter der Rax —
Erloschen in den Hauptstädten der Erde, bin ich — Österreich.
IV.
Kärnten, Stapfen im Schnee, wenn der Schnee schmilzt, die Schneise, der Kuhdung, die Äcker
und die schlafenden Hähne unter dem Mond.
Hinunter nach Krain
durch die Furt der Windischen
fahr ich
in der Nacht
im knirschenden Schlitten. V.
österreichische Erde —
La Picavdiire,
Saint Jean de Ja Forit,
reift im Obst dieser Gärten,
welkt in den Wiesen der Orne,
keine Stunde von meinem Haus.
VI.
Manchmal denke ich: wo jetzt die Stadt ist?
Die Stadt, die ich vom Kahlenberg sah, ein einziges Mal,
als hätte ich durch den Spalt einer Tür gesehen,
einer Tür — wo?
VII. '•..;.;>.-• ... 4-4'-<^'(;lr^Ev;iQ
Bilder, Bilder.
Eine Stimme sagt Abend, eine Stimme sagt Morgen, aber keine Stimme sagt — keine Stimme sagt —
Nachts bin ich auf und gehe zum Fenster.
Draußen ist Österreich.
Wieland Schmied, geboren 1829 In Frankfurt am Main, Jugend und Studien in Wien, Dr. Jur., mehrere Jahre Kunstkritiker der „Furche“, derzeit Direktor der Kestner-Oesellschaft in Hannover. Autor mehrerer Bücher, zuletzt dar großen Kubin-Monographie