Potter zaubert wieder

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In „Harry Potter und der Halbblutprinz“ werden die Weichen fürs Finale gestellt.

Auch die Verfilmung des sechsten Bandes der Fantasy-Saga wurde sehnlich erwartet, obwohl gerade die Potterianer das Ende längst kennen. Doch Blockbuster-Potter bleibt der Garant für (s)eine heile Welt.

Schnell, schnell muss es jetzt gehen: „Harry Potter und der Halbblutprinz“ ist gerade weltweit in den Kinos gestartet, aber im Februar schon wurde mit den Dreharbeiten zum finalen siebten Teil der legendären Erfolgsreihe begonnen, bevor die drei jungen Hauptdarsteller nämlich endgültig jeglicher Glaubwürdigkeit als zaubernde Internatsschüler entwachsen – sind sie doch jetzt schon 20 Jahre alt. Harry Potter und seine beiden Freunde Ron und Hermine sind schließlich Kinder, maximal Teenager, und ihre Erfinderin J. K. Rowling zielte immer schon auf diese Gruppe ab – obwohl das „HP-Phänomen“ auch die Erwachsenen einer ganzen Generation erfasst hat, die seit Erscheinen des ersten Bandes „Harry Potter und der Stein der Weisen“ (1997) mit dem bebrillten, schüchternen Zauberlehrling regelrecht groß geworden ist.

Seit der ersten filmischen Adaption 2001 trägt Harry Potter das Gesicht von Schauspieler Daniel Radcliffe, und der ist nur ein Faktor im Potter-Medienhype, der abseits der fantasievollen Saga längst eine zusätzliche Kultgemeinde geschaffen hat, eine Gemeinschaft auf Zeit, die sich im Zusammenhalt der Romanfiguren wiederfindet, eine weltweite „Pottermania“.

Doch wo Manie, da oft auch Krieg: Wie zum Beispiel bei jedem neuem „Potter“-Film zwischen den verschiedenen Fan-Fraktionen im Internet mit dem Filmstudio Warner Bros., um die detailgetreue Umsetzung der Romane der ehemaligen Lehrerin, Journalistin, PR-Sprecherin und Sozialhilfeempfängerin J. K. Rowling (mittlerweile die reichste Frau Großbritanniens) zu forcieren.

Die künstlerische Herausforderung der filmischen Adaption war immer, eine Geschichte zu erzählen, die funktioniert, auch wenn man grundsätzlich nicht weiß, was Quidditch, Squibs oder Muggels sind, und man weder mit Dementoren noch mit Denkarien vertraut ist. Das gelang nicht immer. Doch das Potter-Universum in seiner Reichhaltigkeit abzubilden, könnte weit über Fantasy-Tricktechnik hinausgehen, denn es reicht tief an grundsätzliche Menschheitsideale, Ideologiefragen und (fragwürdige) Weltanschauungen, welche Rowling in der längst zum „Bildungsroman“ gewachsenen Saga immer schon in Anspielung auf die europäische Geschichte thematisiert hat – und welche eine wesentliche, wenn auch großteils unbewusst rezipierte, Grundlage für den Erfolg der Buchreihe sind.

In den früheren Verfilmungen versuchten die unterschiedlichen Regisseure, die Vorlage kapitelweise umzusetzten, aber spätestens in der Adaption von Teil 5 nahm sich Regisseur David Yates schon die Freiheit, auf nur ein Hauptthema zu fokussieren. Yates brachte mit „Der Orden des Phönix“ 2007 etwa die Gegenwart der Streetgangs und Gewalt an den Schulen in die filmische Potter-Saga ein. Nervosität und lauernde Unsicherheit prägten das Klima in diesem Film, der mit Voldemorts dunklen Armeen und uniformierten Gefolgsschülern, welche die „inferioren Muggels“ (Nicht-Zauberer) verabscheuen, recht unverhohlen Züchtungs- und Rassephantasien sowie die Vernichtungspropaganda einer Diktatur in den Raum stellte.

Nichts dergleichen ist in Yates’ Adaption von „Harry Potter und der Halbblutprinz“ zu spüren. Bis auf eine schaurig-furiose Sequenz im letzten Drittel, herrscht weit und breit nur das harmlos anmutende Flair einer romantischen Komödie, in der Zaubertränke und die Liebeswirren von Harry und seinen Freunden Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) die Hauptrolle spielen. Dabei stellt genau dieser Band die entscheidenden Weichen für die bisherigen Handlungsstränge, leitet die „Horkruxe“ ein und bereitet den Weg für das große Finale.

Einige Dinge stehen im vorletzten Jahr auf der Schule Hogwarts natürlich unverändert: Harrys Pate Sirius Black ist verstorben, einer der Anhänger Lord Voldemorts, der Todesser Lucius Malfoy und Vater von Harrys ungeliebtem Schulkollegen Draco sitzt im Kerker von Azkaban und Lord Voldemort (Ralph Fiennes) lauert weiterhin auf den einen Auserwählten, den er beim Mord an dessen Eltern vor nunmehr 17 Jahren unabsichtlich verschont hatte.

Nun steht der junge Held am Scheideweg seines Lebens, denn ein Schlüsselgeheimnis aus Voldemorts Jugend kann ihm die lang gesuchte Antwort über dessen Verbleib liefern. Doch leider stammen die dazugehörenden Erinnerungen, die ihm sein Mentor Albus Dumbledore (Michael Gambon) im Denkarium (Gedankenbrunnen) zugänglich macht, vom schusseligen Professor für Zaubertränke, Horace Slughorn (Jim Broadbent). Der hat seine Erinnerungen aber manipuliert, um etwas über den jungen Voldemort – damals noch als Tom Riddle an der Schule – zu vertuschen.

Mittlerweile hat sich auch Draco Malfoy (Tom Felton) mit Voldemort verbündet und soll einen mörderischen Auftrag ausführen, bei dem er den Schutz von Severus Snape genießt (grandios wie immer als britisch-nasal zischelnder Bösewicht: Alan Rickman).

Sicher, im Grunde geht es bei „Harry Potter“ nur um eines: Gut gegen Böse. Wie immer in Schöpfungsmythen, in Religionen, und der junge Harry hat durchaus Attribute einer trivialen Erlöserfigur. Aber ist er deswegen gar der säkulare Religionsersatz in den Kinderzimmern einer entzauberten Moderne – wofür er vor allem von katholischen Fundamentalisten immer heftig kritisiert wurde?

Immerhin existieren in Hogwarts keine Kirchen und kein Gott. Ist es denn so, dass wer zaubern kann, dies nicht braucht? Ohne höheren Schutz kommt jedoch auch Potter nicht aus. Der – bisher – Allmächtige in seiner Welt ist der Internatsleiter Professor Dumbledore, ein gütiger Zauberer mit langem Rauschebart. Wenn er nun, in „Der Halbblutprinz“ einem hinterhältigen Mord zum Opfer fällt, markiert dies endgültig Harrys Verabschiedung vom Kindsein. Er wird selbst zum Garanten für (s)eine heile Welt: Nun will er seiner Bestimmung folgen, Voldemort zu stellen. Dann siegt entweder die Liebe oder der Hass, die Zeit ist jedenfalls reif für die Entscheidungsschlacht gegen das Böse. – Wo hat man das bloß zuletzt gehört?

Harry Potter und der Halbblutprinz

(Harry Potter and the Half-Blood-Prince)

GB / USA 2008. Regie David Yates: Mit: Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Helena Bonham Carter Jim Broadbent, Robbie Coltrane. Verleih: WarnerBros. 153 min.

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