Welterfolg, der auf der Esoterikwelle reitet

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Der Welterfolg von "Harry Potter" wird auf dem Hintergrund der wachsenden Faszination für Esoterisches verständlich.

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Der Welterfolg von "Harry Potter" wird auf dem Hintergrund der wachsenden Faszination für Esoterisches verständlich.

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Zugegeben - ich habe nur den vierten Band der Serie, "Harry Potter und der Feuerkelch" gelesen, beachtliche 767 Seiten, aber das in einem Zug. Es ist ein Buch, das den Leser in seinen Bann zieht, spannend, mit vielen Dialogen. Man wird in Atem gehalten. Kein Wunder, dass Harry - eine ebenso wie seine Freunde Ron und Hermine sympathisch geschilderte Figur - seine Fans auch unter Erwachsenen hat.

Eindrucksvoll auch die Phantasie der Autorin: ein Feuerwerk von Einfällen, skurrilen Zaubertricks, Ereignissen und Gebilden - einprägsam und detailliert geschildert. Wie müssen phantasiebegabte Leser - ich gehöre nicht zu dieser Spezies - diese Schilderungen weiterspinnen können! Über dem Ganzen schwebt aber eine Atmosphäre des Unheimlichen. Sie ist Teil der Faszination, die das Buch ausübt.

Der Leser lebt sich jedoch in das unbehagliche Ambiente ein und merkt das Bedrückende bald nur mehr, wo es besonders arg wird. Etwa bei der Konfrontation von Harry Potter mit Lord Voldemort, dem Teufel, wie der Leser ahnt. Was da an düsteren Ritualen zelebriert wird, ist starker Tobak.

Im Grunde genommen steht die ganze Geschichte im Schatten der Angst, die Voldemort verbreitet. Auch wenn er die Bühne nicht als Sieger verlässt, so wird der Leser doch nicht - wie im Märchen - mit dem Triumph des Guten über den Bösen entlassen. Vielmehr ahnt er, dass dessen Macht wächst. Dazu Joanne K. Rowling auf die Frage, was die nächsten Bände bringen werden: "Ich will nichts vorwegnehmen, aber das kann ich Ihnen sagen, dass die Bücher düsterer werden ... Es tut mir leid, wenn es zu angsterregend wird ..."

Das ist bedenklich, jedenfalls am vierten Band: Er führt den Leser in eine bedrohliche Welt, in der nur überlebt und Erfolg hat, wer sich der richtigen magischen Rituale zu bedienen weiß. Weiße Magie kämpft gegen Schwarze. Aber Magie muss es sein.

Ja, aber in den Märchen - sie haben ja Generationen von Kindern bewegt - gibt es ja auch Übersinnliches: Hexen, Zauberer, Feen, so der Einwand, was soll da an der Welt von Harry Potter schlecht sein? Der Stellenwert des Magischen macht den Unterschied aus.

Bei Harry Potter tritt das Übersinnliche nicht wie im Märchen als außergewöhnliches Ereignis ins Alltagsleben, sondern der Alltag selbst steht im Banne der Magie. Und damit passt Harry Potter gut zu den vielen Angeboten, die heute auf Kinder und Jugendliche losgelassen werden. Sie alle entführen die Jugend in Scheinwelten, in denen übersinnliche Mächte und Wesen (meist recht abscheuliche Darstellungen) den Ton angeben. Es ist die Welt von "Pokemon", "Digimon" ("mon" steht für Monster), Dragonball und Konsorten, Tag für Tag im Fernsehen, in Computerspielen und beim Sammeln von Karten serviert. Alles internationale Erfolge, Kassenschlager, ein Muss, wenn man dazugehören will, eine bedrohliche Welt, in der es gewalttätig zugeht. Auffallend oft wird Hässlichkeit sympathisch gemacht, sodass den Kindern das Schöne bald banal und unattraktiv erscheint. Ich brauche nur zu beobachten, wie mein Enkel auf die Angebote reagiert.

Warum sollte all das auch spurlos an der Vorstellungswelt der Konsumenten vorbeigehen? Ein Großteil dessen, was einem bei Harry Potter begegnet (und was er in der Zaubererschule lernt), kann ja im Esoterik-Laden nebenan durch einschlägige Literatur vertieft und durch entsprechende Utensilien ausprobiert werden.

So ist Harry Potter Teil eines umfassenden Vorgangs, der unser geistiges Umfeld immer stärker mit esoterischen Vorstellungen auffüllt. Der weltweite Siegeszug der Erfolgsbücher wäre ein Anlass, mehr Sensibilität für die schon lange stattfindende Veränderung der geistigen Atmosphäre zu entwickeln, um ihr entgegen zu wirken. In ihr verschieben sich unsere Maßstäbe. Dann wird das Rationale suspekt und die Transzendenz zur Spielwiese für Zauberlehrlinge, die nicht fix damit rechnen können, dass sie die Geister, die sie rufen, wieder loswerden können.

Zum Thema: Gotteslästerung?

In verschiedenen Medien warnte der Pfarrer von Windischgarsten, Gerhard Wagner, eindringlich vor der Lektüre der erfolgreichen Kinderbuchserie "Harry Potter". Wagner wollte entdeckt haben, dass Harry Potter eine Gefahr für die Seelen der Kinder sei. "Ich habe festgestellt, dass diese Bücher Gott lästern und Beispiele geben von Zaubersprüchen, Ritualen und dämonischen Kräften, was den Wunsch nach Zauberei und Rache fördert." Unterstützung erhielt Wagner unter anderem von Diözesanbischof Kurt Krenn. Kirchliche Bibliotheken gaben indes Entwarnung: Die Vorwürfe seien maßlos übertrieben und würden dem Genre der Fantasy-Literatur nicht gerecht. Teufelskerl Harry Potter? - ein Streitthema auch in der furche-Redaktion. WM

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