Y2K wird zuschlagen, aber wo und wie?

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Sieben Prozent der medizinischen Geräte sind am 1. Jänner 2000 Schrott: Ein gescheites Buch über den Millenniumbug.

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Sieben Prozent der medizinischen Geräte sind am 1. Jänner 2000 Schrott: Ein gescheites Buch über den Millenniumbug.

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Wir nähern uns unaufhaltsam dem Jahr 2000, und während über das Jahrtausendbug-Problem geredet wird, läuft die Frist zur Lösung des kurz J2K oder Y2K genannten Fehlers ab. Es wird Computer-Abstürze geben. Die Frage ist nur: Wie folgenschwer? Im schlimmsten Fall kann es zu Störfällen in schwindsüchtigen russischen Kernkraftwerken kommen. Unter dem Jahrtausendbug versteht man die Tatsache, daß in unzähligen elektronischen Geräten Chips, Programme und Programmteile mit zweistelliger Jahreszahl arbeiten: 99 statt 1999. Mit dem Sprung auf das Jahr 00 geht die Eindeutigkeit verloren, es kann sich um 1900 ebenso wie um 2000 handeln. Mikroprozessoren in PCs, Haushaltgeräten, Versorgungsanlagen, Telefonen, Kraftwerken, Fabriken, Kontrolltürmen der Flughäfen oder Verkehrsampeln sind aber auch dann auf eindeutige Datumsangaben angewiesen, wenn sie nicht in Jahren, sondern nur in Sekunden rechnen. Die Komplexität unserer elektronisch vernetzten Welt macht es unmöglich, den Fehler flächendeckend zu eliminieren.

Drei Wissenschaftler der Wiener Technischen Universität kommen in ihrem Buch "Chaos 2000 - das globale Zeitbeben" zum Ergebnis, daß die störungsfreie Funktion zentraler Versorgungseinrichtungen (Strom, Wasser, Gas, Telefon) nach dem 1. Jänner, 0 Uhr, leider ebenso unwahrscheinlich ist wie der totale Zusammenbruch für längere Zeit. Alles dazwischen ist möglich. Auch ein scheinbar störungsfreier Jahresbeginn und die wochenlange, unaufhaltsame Aufschaukelung vieler Pannen zu einem großen Chaos.

Die US-Spitäler haben bereits seit dem Vorjahr Listen der Aufsichtsbehörde FDA von rund 1.500 möglicherweise betroffenen medizinischen Geräten, vom Dosier- und Analyseapparat über den Computertomographen bis zur Ausrüstung der Intensivstationen. Dort weiß man: sieben Prozent der Geräte sind am 1. Jänner Schrott. Nur acht Prozent weisen keine oder unerhebliche Fehler auf. Bei einem Drittel lag keine Information vor, ein weiteres Zehntel wurde gerade von den Herstellern getestet, für 15 Prozent boten diese Informationen im Internet an. Nur für ein Viertel der Geräte waren bereits Lösungen zur Behebung des Millenniumfehlers auf dem Markt.

Österreich und Deutschland zählen unter den westlichen Industriestaaten zu den Schlußlichtern, was das Ernstnehmen des Jahrtausendfehlers betrifft. Aber selbst in Schweden, wo es für alles, was Mikroprozessoren enthält, bereits Testroutinen gibt, kann für die Software niemand geradestehen. In ungezählte PC-, aber auch Steuerungsprogramme wurden Teile älterer Programme übernommen, bei denen sich niemand mehr auskennt. Mitunter wurde in den siebziger Jahren die ferne Jahresangabe 00 mit einer Sonderbedeutung versehen. Wenn die Software spinnt, werden aber auch fehlerlose Chips lahmgelegt.

Karl H. Müller, Peter Purgatshofer und Rudolf Vymazal haben ein philosophisches, technisches und praktisches Buch geschrieben, aus dem man viel über die Verwundbarkeit unserer Gesellschaft erfährt. Nach ihrer Auffassung ist die Menschheit durch die Informationstechnologie, durch die globale Computerisierung und deren Verselbständigung in ein neues Evolutionsstadium eingetreten. Dank seinem Niveau wird dieses Buch seinen Wert auch nach dem 1. Jänner behalten - und nach allem, was anschließend passiert oder auch nicht. Für eventuelle Krisen wappnen sie den Leser mit vielen praktischen, aber auch juristischen Ratschlägen. Vorräte an allem Lebenswichtigen für einige Tage halten die Autoren jedenfalls unbedingt für geboten.

Chaos 2000 - Das globale Zeitbeben. Von Karl H. Müller, Peter Purgatshofer und Rudolf Vymazal. Döcker Verlag, Wien 1999. 206 Seiten, Pb., öS 248,-/E 18,12

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