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Am 5. April wurde die Idee zum „Kirchenvolks-Begehren” geboren, am 5. Juli wurde das Endergebnis präsentiert.

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Am 5. April wurde die Idee zum „Kirchenvolks-Begehren” geboren, am 5. Juli wurde das Endergebnis präsentiert.

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Mit 486.748 gültigen Unterschriften österreichischer Katholiken (505.154, wenn man Nicht-Katholiken und Ausländer hinzurechnet) war das Kirchenvolks-Begehren (KVB) auf jeden Fall quantitativ seit langem das kräftigste Lebenszeichen der römisch-katholischen Kirche in Österreich und übertraf bei weitem sämtliche vorher öffentlich geäußerten Erwartungen.

Die Gefahr, daß Doppelunterschriften mitgezählt wurden, bezifferte Thomas Luger, für die Auszählung zuständiger Innsbrucker Universitätsdozent, aufgrund einer steiri-schen Stichprobe mit nur 0,015 Prozent. Anderseits seien bereits ausgefüllte Listen „verschwunden”. Daß es die Organisatoren genau nahmen, geht daraus hervor, daß man 2.776 nach dem Stichtag eingelangte Unterschriften nicht mehr gelten ließ.

Wenn man schon Vergleiche anstellen will, so sind solche mit den 1,369.856 Wählern (bei rund 4,9 Millionen Wahlberechtigten) der letzten Pfarrgemeinderatswahlen (1992) -auch dort ist man bekanntlich mit 16 Jahren stimmberechtigt - vermutlich eher angebracht als mit der Gesamtzahl der Katholiken (etwa 6,1 Millionen) oder regelmäßiger Sonntagsmeßbesucher (etwa 1,2 Millionen).

Im Vergleich mit echten Volksbegehren schneidet das vom Innsbrucker Religionslehrer Thomas Plankensteiner initiierte KVB beachtlich ab. Sogar das Anti-Ausländer-Begehren Jörg Haiders wurde klar übertroffen, ganz zu schweigen vom kürzlich durchgeführten Motorrad-Begehren, das es nicht einmal auf 100.000 Unterschriften brachte. Fielen dort pro Unterschrift - so Plan-kensteiner - etwa 430 Schilling an Kosten an, waren es beim Kirchenvolks-Begehren (Gesamtkosten bisher: 620.000 Schilling) pro Unterzeichner nur 1,24 Schilling.

Eine Erhebung in 130 der 163 Pfarren der Erzdiözese Wien ergab, daß davon 83 Gelegenheit zum Unterschreiben des KVB gaben, 47 nicht. Für die hohe Zahl der Unterschriften wird auch von Gegnern des Begehrens die gute Infrastruktur der Kirche (Sammelgelegenheit nach allen Gottesdiensten) angeführt, daher darf angenommen werden, daß die Mehrzahl der Unterzeichner eher mit Kirchgängern und PGR-Wählern als mit „Taufscheinchristen” identisch ist. Typisch dafür erscheint auch der hohe Anteil von Frauen (57 Prozent). Von den Altersgruppen unterschrieben am ehestendie 20- bis 40jährigen.

Die meisten österreichischen Bischöfe haben Gesprächsbereitschaft, zumindest zu einzelnen Punkten des KVB, signalisiert. Im Ausland hat der Vorgang Aufsehen erregt, in Italien lautete ein Kommentar, früher sei man für viel weniger als solche Forderungen auf den Scheiterhaufen gekommen.

Noch vor der Übergabe der Resultate an den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, den Grazer Bischof Johann Weber, betonte Thomas Plankensteiner, es sei von Anfang an um keinen „Kollisionskurs” gegenüber den Bischöfen gegangen, sondern um einen Dialogprozeß. Die Initiatoren verstehen sich als Feuermelder, nicht als Brandstifter: „Das Letzte, was wir wollen, ist eine Spaltung. Wir wollen eine Erneuerung innerhalb der Kirche.”

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